Kinderhände gehen in der Mitte zusammen

Wie Kinder Sprache und Kommunikation lernen – Internationale Tagung an der Bergischen Universität Wuppertal


Vom 30. September bis 2. Oktober 2025 treffen sich Forschende aus Europa, Asien und den USA an der Bergischen Universität Wuppertal, um aktuelle Erkenntnisse darüber auszutauschen, wie Kinder Sprache und Kommunikation in unterschiedlichen Kontexten wie Familie, Schule oder Freizeit erlernen.

Wuppertal/Germany, 19. September 2025. – Im Mittelpunkt der internationalen wissenschaftlichen Tagung steht die Frage: Wie eignen sich Kinder nicht nur Worte, sondern auch Gestik, Mimik und andere körperliche Ausdrucksformen sowie deren kommunikativen und situativen Gebrauch an? Insbesondere mithilfe von Videostudien untersuchen die Beiträge aus Perspektive der Sprachsozialisationsforschung, wie dieses Lernen in ganz verschiedenen Interaktionssituationen und Sprachgemeinschaften geschieht – beim Spielen mit Geschwistern, beim Vorlesen in der Familie, im Gespräch mit Gleichaltrigen oder im Klassenzimmer.

„Die Forschung eröffnet neue Einblicke darin, wie kommunikative Praktiken vermittelt und angeeignet und dabei zugleich soziale Beziehungen und Identitäten ausgehandelt werden“, fasst Vivien Heller zusammen. Die Professorin lehrt im Fach Germanistik an der Bergischen Universität Sprachdidaktik und organisiert die Tagung.

Bevor Kinder eine art Selbstkonzept aufbauen, merken sich diese zunächst was für andere wichtig ist. So zeigt es jüngst eine Studie des Max Planck Instituts (Vgl. Was wichtiger ist – Du oder ich? 2025). Der Mensch ist das einzige Wesen, das sich an der Konstruktion seiner selbst und seines Selbst beteiligen kann, das gilt, betrachtet man es über die Lebensspanne von Generationen, im Zeitraum des eigenen Werdens und Vergehens. Wobei hier das Herausbilden der eigenen und unabhängigen Identität im Vordergrund steht.
Die Entdeckung eines neuronalen Selbst-Netzwerkes entsteht erst nach und nach, frühestens zum Beginn der Spiegelung, wenn eine Bezugsperson in Resonanz mit dem Säugling geht. Mimik, Bewegung, Stimme und Körpersprache des Neugeborenen wirken mit und auf die Bezugsperson. Diese koppelt das gesehene als Imitation und mit der eigenen Sozialisation versehen zurück auf das Kind.

Auf diese Weise nimmt die zwischenmenschliche Kommunikation am Beginn des Lebens ihren Anfang nach dem Prinzip der Imitation. Im zweitne Schritt erfolgt die Autonomie, den Anstoss zum erlernen der Unabhängigkeit (Joachim Bauer, 2019). Am Anfang eines Lebens steht ein grundlegendes Gefühl sozialer Abhängigkeiten, das in abgewandelter Form so bleiben soll und wird. Mit dem Verlauf des Lebens soll das Ziel die gesamte Eigenständigkeit sein und werden, die Fähigkeit zur Selbstbestimmung soll sich entwickeln.

Durch Sprache wird vielfach auch vererbt. Hört man genauer hin, dann erlebt man bei jungen Menschen bis ins mittlere Alter hinein, noch bis zu einem Grossteil der Bevölkerung das vieles von dem nachgesprochen wird was bereits die Erziehungsberechtigten sagten, was deren Haltung ist oder war. So wird innere Haltung und damit auch Ausdruck und Sprache sowohl vertikal wie horizontal vererbt und wie ersichtlich, keine echte Eigenständigkeit entwickelt. Es scheint unserem Zeitgeist zu fehlen das man sich früh von Rollenbildern löst.

Mit der Globalisierung ist eine Offenheit in der Welt entstanden die gegenwärtig zum ersten mal einen eklatanten Widerstand erlebt, der nicht allein daher rührt wie offen oder verschlossen man gegen andere Nationen steht, sondern vor allem in der Vererbung. Frühere Generationen sind mit weniger Globalisierung aufgewachsen, jüngeren Generationen ist es in der evolutionären Veranlagung gegeben ob sie offen sind neue Welten und Kulturen entdecken zu wollen oder nicht. Darin besteht der aktuelle Generationenkonflikt.

In diesen vorausgehenden Haltungen liegen die Vorebreitungen für das kommunikative Annehmen oder Ablehnen. Dieses Kritische Denken sollte sich von der Voreingenommeheit lösen und das lernen und verstehen wollen ins Zentrum des Tuns stellen. Imitation ist also Teil der Resonanz, die Fähigkeit Festlegungen, Dogmatismus (aus dem griechischen doxa = Meinung) im Leben zu überwinden benötigt die Fähigkeit der Resilienz. Ich muss in Frage stellen können (Skeptizismus) was mich jemand gelehrt hat. Hierzu soll Ludwig Feuerbach einmal gesagt haben, Dogma sei nichts anderes als das ausdrückliche Verbot zu denken. – Was zu denken geben sollte.

„Lernen ist also wie rudern gegen Strom, Hört man damit auf, treibt man zurück“, wusste der chinesische Philosoph Laozi (ca. 6. Jhd. v. Chr.). Auch die Bibel lässt sich hier einen Hinweis nicht nehmen und meint dazu, das ein loslassen des lernens oder des neuen Raum für böswillige Ideen gibt (Vgl. Matthäus 12, 43-45.).

Würde man also nicht an der Sache bleiben, sein persönliches Storytelling weiter voran treiben, dann ist man begleitet von allerlei Dingen die die Welt vermutlich nicht brauchen wird. Lernen schärft auch den Verstand (Johann Heinrich Pestalozzi, Schweizer Pädagoge): „Hunderte Menschen schärfen ihre Säbel, Tausende ihre Messer, aber Zehntausende lassen ihren Verstand ungeschärft, weil sie ihn nicht üben.“
Lernen nach traditioneller, konservativer Methode wurde immer als etwas nachteiliges empfunden. Wer denkt dabei nicht an die überlieferte oder gar selbst erlebte Zeit als man die Hand oder den Po dem Lehrer entgegen zu strecken hatte und Schläge bekam. Heute im Zeichen der künstlichen Intelligenz muss vor allem der eigene Wunsch und Wille motiviert, gelehrt werden das Lernen etwas schönes und gutes ist und Länder oder Nationengrenzen zu überwinden habe. Es benötigt also eine Art Sehnsucht. Um das zu erreichen ist es wie mit dem Schiff und dem Meer. „Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ (Antoine de Saint-Exupery). Früher gab es die Mentalität der Antreiber. Heute braucht es eine Kultur der Eigenverantwortung. Es ist nicht zu schulen wie man delegiert, sondern wie man unter berücksichtigung er Kommunikation Sehnsucht schaft eigenverantwortlich zu handeln.


Die Konsequenz des Lernens bedeutet vor allem, das einpflegen von Randerscheinungen die einmal den Mittelpunkt bilden. Man lernt von einem Thema die Bibliothek, d.h., die Spannbreite der Möglichkeiten aus der später die Zeichen zu entnehmen sind. Weiterhin gilt, wer bildungstechnisch nicht nur den Beruf erlernt in dessen Handwerk er später wirken möchte, der sollte sich auch all die anderen Randgebiete erarbeiten. Alle Facetten seines Berufsstandes zu kennen und darüber hinaus noch mehr, der erlangt darin Autorität. Ein drittes Beispiel, wer im Training bleibt tut sich leichter, wer zu trainieren beginnt, hat viel Kraftaufwand und viel zu überwinden.

Ein Beispiel mit grosser Reichweite und Bedeutung, deren Wirkung man gesellschaftlich beobachten kann ist die Stagnation bezüglich der einer kindlichen Neugierde. Bei einem Grossteil der Menschen hört Leben im Grunde dort auf wo existenzielle Ziele erreicht wurden. Kinder, Familie, Haus, Baugrund oder Eigentumswohnung, relativ sicher im Job. Sind diese Bedürfnisse befriedigt fehlt ein existenzieller Treiber um sich höhere Ziele setzen zu könnem die eine Wirkung auf gesellschaftspolitisches Handeln bewirken. Die eine art Heldentum entstehen lassen können. Nicht alle Bedürfnisse sollten unmittelbar befriedigt werden, wie man unschwer sehen kann.

Dauerhaftes Lernen hält zwangsläudig demütig und erhält die kindliche Neugierde. Lernen hört dann nicht auf wenn bestimmte Bedürfnisse nicht befriedigt wurden. Wer aufhört zu lernen oder gar neugierig zu sein, der glaubt in der Regel das die Welt auf diese Weise funktioniert. Wer lernt unterliegt dem Gesetz der Halbwertszeit und ist dauerhaft vom Gefühl ereilt, immer zu wenig getan zu haben, es würde niemals reichen. Albert Einstein (1879 – 1955) hat dies damit auf den Punkt gebracht als er sagte, es sei wichtig, das man nicht aufhört zu fragen. Das Menschen Neugierde in sich tragen hat einen Existengrund, so Einstein weiter. „Man kann nicht anders, als staunend über die Ewigkeit, das Leben und die wunderbare Struktur der Realität nachzudenken. […].

Gerade jetzt im Zeitalter der künstlichen Intelligenz ist es wichtig das Lernen eine neue Kutur erleben. Das Lernen spass macht. Das Handwerkszeug Lust auf Lernen zu empfinden, damit Erfolg zu verknüpfen lernt man wohl am besten in der Kinderzeit. Über den eigenen Tellerrand hinausschauen bedeutet heute auch in andere Nationen zu schauen, Emphatie zu entwickeln und zu erfahren wie Menschen in anderen Kulturen lernen die Welt zu begreifen. Dabei müssen gerade die kommunikativen Hürden überwunden werden.

Lehrkräfte befähigen, Kinder individuell zu stärken

Die Erkenntnisse aus den vorgestellten Studien der Universität Wuppertal können helfen, Bildung so zu gestalten, dass Kinder – ob mit einer oder mehreren Sprachen aufwachsend – noch besser in ihrer sprachlichen und sozialen Entwicklung unterstützt werden. „Wenn wir verstehen, wie Kinder Sprache und Kommunikation lernen und welche Unterschiede zu erkennen sind, dann können wir – zum Beispiel – Schullehrkräfte entsprechend ausbilden, ihren Unterricht so zu gestalten, dass er Kinder individuell stärkt.“

Vor diesem Hintergrund war es Heller auch besonders wichtig, die Tagung international stark zu besetzen: „Der Austausch über verschiedene Sprachgemeinschaften ermöglicht uns spannende Einblicke und Vergleiche, die helfen, sprachliches Lernen an der Vielfalt von Menschen sowie ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten auszurichten.“

Zusammenleben prägt die Sprachentwicklung

Aber nicht nur für die Schulpraxis sind die Erkenntnisse interessant. Eltern erkennen sich unter anderem in der Frage wieder, wie spielerische Neckereien in der Familie oder gemeinsame Lesezeiten zur Sprachentwicklung beitragen.

Ein weiteres Beispiel aus dem Familienalltag nennt Vivien Heller: „Beim Abendessen erzählt ein Kind, was es im Kindergarten erlebt hat. Die Eltern fragen nach, ergänzen eigene Eindrücke oder vermitteln beiläufig kommunikative Erwartungen. Das Kind lernt dabei nicht nur neue Wörter, sondern auch, wie man eine Geschichte spannend erzählt, wann man anderen ins Wort fallen darf – und wann nicht –, und wie man Aufmerksamkeit hält“.

All das beleuchten sie und ihre KollegInnen an drei Tagen unter dem Tagungstitel „Language Socialization Across Contexts“ (https://germanistik.uni-wuppertal.de/fileadmin/germanistik/Personal/Heller/DFG_C…, pdf-Download Programm); auf Deutsch: „Sprachsozialisation in verschiedenen Kontexten“ im Gästehaus auf dem Campus Freudenberg.

Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Tagung wird von der Bergischen Universität Wuppertal ausgerichtet. Sie ist eine Aktivität des an der Universität neu gegründeten Interdisziplinären Zentrums Sprachliches Lehren und Lernen (IZSLL). Das Zentrum bündelt Kompetenzen von Wissenschaftler*innen, die sich in ihrer Arbeit mit unterschiedlichen Sprachen, dem sprachlichen Lehren und Lernen und der Lehrkräftebildung beschäftigen, und möchte zu einem besseren Verständnis des Zusammenspiels von Sprache, sprachlichem Lernen und Identitätskonstruktionen beitragen. Daraus sollen unter anderem lernförderliche Bedingungen abgeleitet werden, die sich positiv auf die Bildungsteilhabe auswirken.



Tagung: Language Socialization Across Contexts: Interactional and Embodied Perspectives on Children’s Sociality and Identity

Datum: 30. September bis 2. Oktober 2025

Ort: Gästehaus der Bergischen Universität Wuppertal, Campus Freudenberg, Rainer-Gruenter-Str. 3, 42119 Wuppertal.


Weitere Informationen:

https://izsll.uni-wuppertal.de/de/ – Webseite Interdisziplinäres Zentrum Sprachliches Lehren und Lernen

Bauer, Joachim, 2019
Wie wir werden was wir sind

Was ist wichtiger – Du oder ich? 13. August 2025
https://www.mpg.de/25190371/was-ist-wichtiger-du-oder-ich

Bildquelle
Michal Jarmoluk Pixabay


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