Eine neue Studie von Forschenden des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz zeigt: Immer mehr Beschäftigte in Deutschland nutzen Künstliche Intelligenz am Arbeitsplatz – aber die Kluft zwischen Berufsgruppen und Bildungsniveaus bleibt bestehen. Während in wissensintensiven Tätigkeiten der Einsatz von KI-Tools massiv ausgebaut wird, bleibt der Zugang in anderen Bereichen eingeschränkt. Ohne gezielte Förderung droht eine digitale Spaltung des Arbeitsmarkts.
Konstanz/Germany, 10. Juli 2025. – Trotz zunehmender öffentlicher Aufmerksamkeit und rasanter technologischer Fortschritte ist KI-Nutzung in Deutschland bislang kein flächendeckendes Massenphänomen. Das zeigt die zweite Konstanzer KI-Studie 2025, die in einer neuen Befragungswelle zentrale Entwicklungen im Einsatz von KI am Arbeitsplatz untersucht. Der Anteil der Beschäftigten, die KI in ihrem Arbeitsalltag einsetzen, ist im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozentpunkte gestiegen und liegt nun bei 35 Prozent. Am häufigsten genutzt werden Anwendungen zur automatisierten Textgenerierung wie ChatGPT – aber auch spezialisierte Tools für Vorhersagen und Robotik halten Einzug in den Arbeitsalltag.
Gleichzeitig zeigt sich: Die Unsicherheit bleibt hoch. Ein Drittel der Beschäftigten kann nicht einschätzen, wie sich KI auf die eigene Arbeit auswirken wird. Viele Beschäftigte nehmen zwar Gefahren für den Arbeitsmarkt im Allgemeinen wahr, beziehen diese aber weniger auf ihre persönliche Arbeitssituation: Während 46 Prozent gravierende Risiken für den gesamten Arbeitsmarkt durch Automatisierung sehen, befürchten nur 20 Prozent den Verlust des eigenen Arbeitsplatzes. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass KI in Deutschland zwar immer wichtiger wird – die gesellschaftliche Debatte aber stark von Unsicherheit und Ungleichheiten geprägt ist“, erklärt Florian Kunze, Leiter der Studie und Professor für Organizational Behavior an der Universität Konstanz.
Nutzungszuwachs vor allem in wissensintensiven Berufen
Besonders stark steigt der Einsatz von KI in wissensintensiven Tätigkeiten wie IT, Verwaltung oder Forschung: Hier nutzt inzwischen fast die Hälfte der Beschäftigten entsprechende Anwendungen (45 Prozent mit einem Zuwachs von 15 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr). In produktionsnahen und handwerklichen Berufen dagegen fällt der Zuwachs deutlich geringer aus (um vier Prozentpunkte auf insgesamt 21 Prozent). Die Studie macht deutlich: KI wirkt derzeit eher als Verstärker bestehender Ungleichheiten am Arbeitsmarkt. Auch in der Einstellung zu den Chancen von KI zeigen sich deutliche Unterschiede: 43 Prozent der Beschäftigten in Büro- und Wissensarbeit erwarten positive Effekte für ihre Arbeit – bei denjenigen in manuellen Tätigkeiten sind es lediglich 24 Prozent.
Die Konstanzer KI-Studie beleuchtet darüber hinaus die Rolle des Bildungsniveaus. Zwar steigt die Nutzung gegenüber dem Vorjahr über alle Gruppen hinweg – aber die Unterschiede bleiben bestehen: Beschäftigte mit abgeschlossenem Studium nutzen KI dreimal so häufig wie Personen mit niedrigem Bildungsabschluss. Die Bereitschaft zur Weiterbildung im Umgang mit KI steigt, besonders unter Beschäftigten mit höherem Bildungsniveau: „Wer bereits privilegiert ist, profitiert stärker von den Chancen der Technologie. Ohne gezielte politische oder betriebliche Unterstützung droht eine dauerhafte digitale Spaltung des Arbeitsmarkts“, erklärt Carolina Opitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt.
Unterschiede je nach Unternehmensgröße
Während Beschäftigte sich zunehmend mit KI auseinandersetzen, verläuft der Wandel auf Organisationsebene deutlich langsamer. Vor allem kleine Unternehmen investieren kaum in Weiterbildung oder klare Kommunikationsstrategien zur Nutzung von KI. Größere Betriebe zeigen hier mehr Initiative – doch auch dort bleibt das Gesamtniveau niedrig. „Es besteht die Gefahr, dass sich abgehängte Organisationen herausbilden, in denen der technologische Wandel kaum ankommt und Beschäftigte dauerhaft schlechtere Entwicklungschancen haben“, betont Kunze. „Das Risiko einer wachsenden sozialen Spaltung erfordert gezielte Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Bildungseinrichtungen.“
Schreibe einen Kommentar