TV-Serien

Wie TV-Serien Führung besser machen können


In Zeiten von Netflix & Co. schauen wir oft Serien. Aus Serien wie „The Crown“ und „Keeping up with the Kardashians“ können wir lernen, wie gute Führung funktioniert. Prof. Dr. Brigitte Biehl von der FernUniversität in Hagen zeigt in ihrer Forschung zum Leadership Development einen ergänzenden Ansatz zu klassischen Management-Büchern.

Hagen/Germany, 04. Dezember 2024. In Zeiten von Fachkräftemangel kein positives Ergebnis: Laut einer aktuellen Studie von Xing und Appinio würde die Hälfte der Deutschen gerne nach einem Jahr wieder ihren Job wechseln. 43 Prozent geben an, dass sie unzufrieden mit dem Management des Unternehmens sind und 25 Prozent sind mit ihrer direkten Führungskraft nicht zufrieden. Dabei ist gute Führung wichtig, denn sie entscheidet maßgeblich darüber mit, ob Beschäftigte sich wohlfühlen und ihre Stärken einbringen können. Prof. Brigitte Biehl, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Personalführung und Organisation an der FernUniversität, unterrichtet seit über 17 Jahren an wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten und kennt die Kritik an der unzureichenden Entwicklung von Management-Nachwuchses.

Der persönliche Aspekt fehlt

„Es werden zwar viele Theorien und Fachwissen vermittelt, aber es fehlt der persönliche Aspekt dabei. Das Erkennen der eigenen Werte, Emotionen und Motivation. Der Transfer auf den eigenen Führungsstil fällt schwer“, weiß Prof. Brigitte Biehl. Eine gute Führung beginnt bei einem selbst: Wie will ich führen? Oder auch: Wie will ich nicht führen? Eine Methode, die sich ergänzend dafür eignet, ist das Lernen mit künstlerischen Methoden. Filme, Serien oder klassische Literatur wie von Shakespeare werden schon länger in Management-Lehrgängen eingesetzt. In Serien gibt es oft Führungskräfte oder Situationen, in denen geführt wird, und aufmerksame Zuschauende können erkennen, was gut und schlecht in der Kommunikation oder am Auftreten läuft. „Es gibt zum Beispiel diese lustige Szene in der Serie ,Game of Thrones‘. Der Charakter Theon Graufreud hält vor seinen Rittern eine Motivations-Rede vor dem Kampf. Sie enthält eigentlich alles, was in der Theorie gefordert wird, aber ein Ritter schlägt ihn k.o., denn das Publikum ist überhaupt nicht auf seiner Wellenlänge“, beschreibt Biehl. „Die Szene zeigt auch, wie die Geführten sich dem Einfluss auch verweigern und die Führungsbeziehung schlagkräftig mitgestalten können.“ An den gängigen Büchern zum Thema Management gibt es eine noch viel wichtigere Kritik: Oft sind sie nur auf den Mann zugeschnitten. Frauen, Menschen mit Behinderung oder mit einem Migrationshintergrund werden dort nicht in den Blick genommen. „Eine Führungskraft ist in der Literatur oft weiß, männlich, heterosexuell und nicht behindert. Dabei sind Führungskräfte vielfältig. Gerade aktuelle Serien bieten alternative Rollenmodelle an“, sagt Brigitte Biehl.

Wie kann ich aus Serien lernen?

Um wirklich aus Serien etwas lernen zu können, müssen die Zuschauenden sie intensiv anschauen und sich für die Filmerfahrung öffnen. Im zweiten Schritt ist es wichtig, dass man sich mit der Serie inhaltlich auseinandersetzt, um die Erfahrungen aktiv zu verarbeiten. Das kann in Form eines Tagebuchs sein, über Gespräche mit anderen oder in der inneren Auseinandersetzung. Mehrere Studien haben bereits aufgezeigt, dass wir Serien oder Filme nicht nur passiv konsumieren. Vielmehr geht es um das „Mitfiebern“ mit unseren Lieblingscharakteren. Am Beispiel der Serie Dallas, in der es um eine Familie aus einer Öl-Dynastie geht, wurde untersucht, warum viele Menschen diese Serie gucken, obwohl sie wahrscheinlich nie in ihrem Leben etwas mit dem Thema Öl zu tun haben. „Das liegt daran, dass die Charaktere realistische Situationen erleben, die uns ebenfalls in unserem Alltag passieren, also emotional realistisch sind. Anders als Fachbücher bieten Serien oder Filme eine Nahaufnahme von Emotionen. Da kommen Menschen vor, die kämpfen, die auch mal weinen oder scheitern.“ Im letzten Schritt ist es wichtig, die eigenen Erkenntnisse in den Arbeitsalltag zu transferieren: Was kann ich für mich übernehmen, wie passt das in die Welt, in der ich lebe und arbeite?

Forschung mit Studierenden

Brigitte Biehl hat diesen Ansatz zum Leadership Development mit Film mit Studierenden der FernUniversität in Hagen und der SRH Berlin University of Applied Sciences praktisch umgesetzt und ausgewertet. Dabei haben Studierende mit und ohne Berufserfahrung und teilweise auch mit Führungserfahrung eine selbst gewählte Serie angeschaut und sich intensiv mit ihr auseinandergesetzt. Eine Gruppe arbeitete mit den TV-Serien rund um die Mitglieder der Kardashian-Jenner-Familie. Sie sind bekannte Reality-Stars und auch als Unternehmerinnen tätig. Besonders Kim Kardashian und ihre jüngere Schwester Kylie Jenner sind sehr erfolgreich und stehen auf der Forbes-Liste.

Wie vereinbare ich Kind und Job?

„Die Kardashian-Schwestern entsprechen nicht dem klassischen Bild von Leadership: Sie haben keinen Harvard-Abschluss, sind immer top-gestylt und starke weibliche Charaktere.“ Die Teilnehmenden berichten, dass sie sich vor dem Ansehen der Serie eher nicht in einer Führungsrolle gesehen haben – danach aber schon. „Diverse Charaktere ermutigen andere, sich in der Führungsrolle zu sehen.“ Die berühmten Schwestern verkörpern zudem ein weiteres wichtiges Thema: Mutterschaft mit dem Beruf zu vereinbaren. „Auch dieses Thema findet in der Fachliteratur kaum statt. Es gibt dort keine Hilfestellungen. Dabei betrifft es die Hälfte der Menschen“, sagt Biehl. „Ein Student meinte, dass er sich erst jetzt vorstellen kann, wie schwierig es für seine Mutter war, Job und Kind zu vereinbaren.“ Das zeigte sich auch am Beispiel der Serie „The Crown“, in der sich Queen Elizabeth II. durch alle Widerstände kämpft – als Mutter, Königin und Staatsoberhaupt. Eine Studierende hat sich in ihrem Tagebuch, mit dem sie die Filmerfahrung auf dem Weg zu einem Lerntransfer verarbeitet hat, als Symbol selbst die Krone aufgesetzt und will nun mehr Durchsetzungsstärke wagen.

Mehr Mut durch Serien

Die Wissenschaftlerin stellte fest, dass die Studierenden nach dem Ansehen der Serien Führung besser erkennen können. „Zudem nehmen sie sich selbst und andere besser wahr. Die Mehrheit möchte sich aktiver in ihr Arbeitsleben einbringen.“ Das kritische Denken wurde durch die Serien angeregt und auch ihre eigene Empathie. Brigitte Biehl regt an, die klassische Management-Ausbildung mit Ansätzen wie dem kunstbasierten Lernen zu ergänzen, um auch unsere Emotionen anzusprechen. Denn so kann das Zwischenmenschliche besser erfasst werden – was gute Führung grundlegend ausmacht.

Originalpublikation:

(https://www.lehmanns.de/shop/wirtschaft/73980731-9781837535705-leadership-lessons-from-the-kardashians)


Weitere Informationen:

(https://www.fernuni-hagen.de/gleichstellung/veranstaltungen/zukunftsweisende-fuehrung.shtml) Tagung zum Thema an der FernUniversität

Bildquelle: Pixabay yousafbhutta


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