Copyright: Inga Haar & Markus Stegner, Quelle: Annette Korroll , Matthew S. Bothner, Professor of Strategy, Deutsche Telekom Chair in Leadership and HR Development an der ESMT Berlin

Radikale Führungsstile wirken selten wie geplant


Eine neue Studie von Matthew S. Bothner und Co-Autoren untersucht radikale Führungsstile anhand des Konzepts „Annealing“. Sie zeigt, dass gezielt erzeugte Unruhe Organisationen beweglicher machen kann, aber nur unter klaren Rahmenbedingungen gelingt. Ohne gefestigte Führung, ausreichende Ressourcen und glaubwürdige Kommunikation überwiegen die Risiken.

Berlin/Germany, 24. September 2025. – Am Anfang von Unternehmensgründungen standen in der Vergangenheit unantastbar wirkende Ideen ihrer Gründerinnen und Gründer. Immer wieder in der Geschichte sind dabei Namen entstanden die Unsterblichkeit erlangten. Mit diesen Gründerinnen und Gründern kultivierte sich das Unternehmen und seine Führungsstile. So war Steve Jobs eine Persönlichkeit der sein Team beschimpfte, Jack Welch entließ ein Viertel seiner Belegschaft. Trotzdem galten beide als visionäre Führungspersönlichkeiten und dienen bis heute vielen als Vorbild.

Mit zunehmender Komplexität der Unternehmen kamen immer mehr organisatorische Funktionen dazu. Wenn ein Unternehmen sich entschied in die Produkttiefe zu gehen oder gar die Produktbreite zu erweitern, so drangen sie in neue Märkte ein, mussten mit Widerständen rechnen und sich in Krisenzeiten bewährt wieder auf ihre Kernkompetenzen berufen um wieder auf Kurs zu kommen.

Aus all dem entstanden zuenhmende Organisationslösungen, allem voran wurden auch hier verschiedene Konzepte von Lebenszyklen entwickelt. Am Anfang stand der Begriff Führung, der seinen Ursprung im germanischen hat und bedeutet „in Bewegung setzen“. Der Begriff ist in der Tat eng mit dem Begriff Motivation vom lat. Motivare, „In Bewegung setzen“ aus der Psychologie verknüpft. Ohne eine Motivation, eine Glauben, eine Vision würden Menschen ggfl. Morgens noch nicht einmal aufstehen um zu frühstücken. Es benötigt einen Antrieb. In den 1980er jahren entwickelten Wunderer und Grundwald die Beschreibung, Führung sei die „zielorientierte soziale Einflussname zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben“.

Organisationen benötigt damit eine genauere Beschreibung und mit zusätzlichen Funktionen auch weitere Differenzierungen. Es entstanden Führungsprozesse und je komplexer ein Organismus wird, desto höher der zu entwickeldne Reifegrad von Organisation. Letztlich versuchte man wie überall die Übersicht aufrecht zu erhalten um ein Unternehmen gezielt organisieren und Stabil halten zu können. Es musste klar und wichtig sein, welche Hebel zu bewegen sind um die Organisation erfolgeich in die Zukunft zu führen und gegenüber Wettbewerb und Mitstreitern stabil zu halten. Führungsprozesse, Kernprozesse und Unterstützungaufgaben wurden differenzierter betrachtet.

Es entstanden Organisationstypologien. Es war zu klären welche Organisationsform welche Ziele haben sollte. Unternehmen galten und gelten als wirtschaftliche Organisation, mit dem Motiv Güter und Dienstleistungen zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse bereitzustellen (Vgl. 2021, Wozu wirtschaften Menschen oder der Sinn der Unternehmung). Ein Kernanliegen warum Menschen arbeiten und weil bekannter massen Güter knapp sind. Politische Organisationen haben das Motiv der Begründung und Verteilung von Macht, Kirchen und Schulen bsw. sollen die Gesellschaft Stabilisieren und Sozialisieren.

Vorzugsweise für wirtschaftliche Organisationen entstanden Langfristige Planungen wie Visionen, um die Organisation auf eine gemeinsame Philosophie zu verständigen, Strategische Ziele wie dort hinzukommen wäre und zur Abgrezung die Bestimmung der Operativen Ziele die durch das Tagesgeschehen voran zu treiben sind. Geldfluss und Materialfluss sollten Strukturiert werden, Beschaffung und Absatz klar und überschaubar geregelt.

Mit dem Aufbau und dem Verlauf seit der industriellen Revolution hat man die verschiedenen Organisationen voneinander Differenziert, weil man erkannte das Unternehmen auf Märkte unterschiedlich reagierten und sich unterschiedlich entwickeln würden. Über die reine Führung hinaus und wenn neue Absatzmärkte entworfen werden sollten, war auch zunehmend mehr Fachkenntnis erforderlich. Das Unternehmertum musste sich neben dem technischen auch mit Betriebswirtschaft und erweiterten Sach- und Fachkenntnis vertraut machen.

Eine bekannte Form von Lebenszyklus für Unternehmerische Organisationen ist von Glasl und Lievegoed entnommen. Sie teilten die Lebensphysen in eine Pionierphase, Differenzierungsphase, Integrationsphase und eine Assoziationsphase. Gerade in einer Startup-Kultur wie wir sie aktuell erleben, bei der für jedes Problem eine Lösung gefunden wird, für jedes Produkt ein Unternehmen gegründet wird und sehr feingliedrig in die Produkttiefe gegangen wird, steht die Pionierphase im Fordegrung. Der oder die Unternehmerin prägen durch ihr Wesen die Kultur des Betriebes.

In der Differenzierungsphae steht nicht mehr die Person im Mittelpunkt, sondern die Organisation und Funktionsteilung. Eine sich anschließende Integrationsphase stellt die Ressourcen der Mitarbeiter in den Mittelpunkt. Die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden schöpferische Quelle der Organisation. Ihr Engagement entscheidet darüber wie die Organisationsziele auf Dauer erreicht werden können. Zuletzt folgt die Assoziationsphase deren Inhalt es ist das Unternehmen nach Aussen zu öffnen. Strategien sich auf dauer erfolgeich gegen den Wettbewerb durchzusetzen, Symbiosen und Ökosysteme aufzubauen, Kooperationen einzugehen.

Mit wachsender Belegschaft steht dem gegenüber die Führungskultur die mit dem Charakter ihrer Visionäre einher geht. Kurt Lewin hat dabei einmal drei klassische Hauptführungstypologien herausgearbeitet. Den Autokratischen Führungsstil, demokratisch und eine Laissez-faire Führungsform.

Eine aktuelle Studie nimmt die Logik und Voraussetzungen dieser Führungsform nun genauer in den Blick. Sie zeigt, dass solch radikale Führungsstile wie bei den benannten Visionären nur unter bestimmten Bedingungen funktionieren und in manchen Fällen mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften.

Die Studie „Annealing as an Alternative Mechanism for Management“ wurde von Matthew S. Bothner, Professor of Strategy und Inhaber des Deutsche Telekom Chair in Leadership and HR Development an der ESMT Berlin, gemeinsam mit Richard Haynes (Commodity Futures Trading Commission), Ingo Marquart (statworx) und Hai Anh Vu (Ho Chi Minh University of Banking) verfasst und erschien in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Connections, einem Journal des International Network for Social Network Analysis, das Publikationen ausschließlich nach einem unabhängigen Peer-Review-Verfahren annimmt.

Untersucht wurde eine Führungsform, die in der Forschung bisher kaum betrachtet wurde: Das Konzept des „Annealing“ stammt ursprünglich aus der Metallverarbeitung. Materialien werden erhitzt, anschließend kontrolliert abgekühlt und verändern dabei ihre innere Struktur. Die Forschenden übertragen dieses Prinzip auf Führung und beschreiben, wie Organisationen gezielt in Unruhe versetzt werden können, um eingefahrene Strukturen zu lockern. Ziel ist es, Organisationen beweglicher zu machen und in die Lage zu versetzen, sich neu auszurichten.

Dieser Ansatz kann große Wirkung entfalten, bedarf jedoch einer sorgfältigen Inszenierung. In einem ersten Schritt wird gezielt Unruhe erzeugt. Die Autoren nennen dies die Phase der Erhitzung: Routinen werden infrage gestellt, gewohnte Abläufe gestört, und dadurch neue Möglichkeiten sichtbar. Danach folgt eine Phase der Abkühlung. In ihr werden Deutungen gefestigt, Belastungen reduziert und neue Strukturen stabilisiert. Erst am Verlauf dieser zweiten Phase entscheidet sich jedoch, ob eine Organisation neue Geschlossenheit gewinnt oder an der Spannung zerbricht. Nicht jede Organisation ist in der Lage, diesen Prozess zu bewältigen.

Die Studie nennt mehrere Rahmenbedingungen, die für ein Gelingen von Annealing erfüllt sein müssen. Erstens braucht es eine Führungsperson mit gefestigtem Status, die Rückhalt in der Organisation hat. Zweitens muss die Belegschaft genügend emotionale Kraft haben, die neuen Spannungen auszuhalten. Und drittens funktioniert Annealing nur, wenn eine Organisation zugleich über freie Ressourcen wie Zeit oder Budget für Experimente verfügt und genug Unsicherheit über die eigene Lage besteht, um die anfängliche Unruhe sinnvoll erscheinen zu lassen. Ist einer der beiden Faktoren zu gering ausgeprägt, misslingt der Prozess.

Die Forschenden betonen außerdem, wie wichtig Kommunikation in diesem Kontext ist. Die Führungsperson darf nicht nur Unruhe stiften, sondern muss gleichzeitig ein glaubwürdiges Zukunftsversprechen abgeben. Fehlen diese Voraussetzungen, führt der Impuls nicht zu Erneuerung, sondern zu Erschöpfung, Zynismus oder Orientierungslosigkeit.

Das Forschungsteam kommt zu dem Schluss, dass dieser Führungsstil zwar unter den richtigen Bedingungen wirksam sein kann, aber selten anwendbar und mit hohen Risiken verknüpft ist: “Wenn nicht alle Rahmenbedingungen stimmen, richtet Radikalität mehr Schaden an, als sie nützt”, so Matthew S. Bothner.

Originalpublikation:

https://sciendo.com/article/10.21307/connections-2019.062

Weitere Informationen

2021, Wozu wirtschaften Menschen oder der Sinn der Unternehmung
http://de.gate-communications.com/wozu-wirtschaften-menschen-oder-sinn-der-unternehmung/

Bildquelle
Copyright: Inga Haar & Markus Stegner, Quelle: Annette Korroll , Matthew S. Bothner, Professor of Strategy, Deutsche Telekom Chair in Leadership and HR Development an der ESMT Berlin


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