Ob Führen in der klassisch bekannten Form wie bisher noch zeitgemäss ist, zeigt sich allem voran an der Gesundheit. Auch oder gerade Führung unterliegt gegenwärtig einem Wandlungsprozess bei dem offensichtlich die Demokratie das Hauptziel ist. Führung in Abhängigkeit mit dem Wunsch der Gruppe. Das Führen als Dominanzsystem sich dem Ende neigt, dafür sprechen die Einschränkungen durch gesundheitliche Entwicklungen. Genau wie viele Menschen zeigen Tiere Anzeichen von Stress, wenn sie versuchen, für eine Gruppe von Artgenossen die Führung zu übernehmen. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung Konstanzer BiologInnen des Exzellenclusters „Collective Behaviour“.
Konstanz/Germany, 25. Juli 2025. – Die höchste und edelste Form der Führung ist die, das man freiwillig und aus eigener Überzeugung einem Anführer, Anführerin folgt. Weitere Führungsrollen sind die des frühen und späten folgens. Das Schema, das eine Führungsrolle umkämpft ist, geht mit der Idee einher im Wettbewerb zu stehen. Ein männliches Dominanzsystem. Denkt man sich ein Gruppengebilde, dann findet man dort Menschen vor, die aus der Gruppe heraus eine natürliche Position einnehmen. Das Alpha-Tier an der Spitze, gefolgt vom Experten, Mitläufern und Außenseitern.
Was immer Menschen im innersten Beschäftigt, durch verbale und non-vernale Kommunikation, Kleidung, Ausssehen, Darstellung, wie ich mich heute gebe, mein Umgang mit zwischenmenschlichen Beziehungen, soziale Kompetenz, meine Motive und bewussten oder unbewussten Ziele führen mich in der Gruppe durch und mittels Entscheidungsprozessen dorthin wo ich für mich die größten Chancen finde mit möglichst wenig Ressourcen das Maximum für mich zu erreichen.
Wenn Tiere als Kollektiv handeln, kann das eine Reihe an Vorteilen für alle Mitglieder haben. Die Anführer einer Gruppe profitieren jedoch in der Regel am meisten – so zumindest die landläufige Meinung. Wer führt, hat beispielsweise als erster Zugriff auf wertvolle Ressourcen und kann deshalb oft die „besten Stücke“ für sich beanspruchen. Doch das Anführer-Dasein hat auch seine Schattenseiten: An der Spitze einer Gruppe zu stehen kann mit körperlicher Anstrengung verbunden sein und die exponierte Position erhöht das Risiko, zur Beute von Raubtieren zu werden. Das Ressourcen knapp werden zwingt in die Polarisierung. Manche wollen mehr horten, anderen begreifen das nur durch teilen Masse entsteht und für alle genug da ist.
In einer aktuellen Studie in der Fachzeitschrift Current Biology untersuchte ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung von BiologInnen des Konstanzer Exzellenclusters „Collective Behaviour“, welche weiteren negativen körperlichen Folgen mit einer Führungsrolle verbunden sein können. Anhand von Herzfrequenzmessungen und Bewegungsanalysen bei frei lebenden Perlhühnern in Kenia konnten sie nachweisen, dass bereits der Versuch, eine Führungsrolle zu übernehmen, Anzeichen von Stress in den Tieren auslösen kann. Besonders hoch sind diese bei Tieren, die in dem Anliegen, sich an die Spitze der Gruppe zu setzen und die Richtung vorzugeben, scheitern.
Für mich das Beste zu erreichen ist dem zeitlichen Wandel unterworfen. Wer im frühen Kinderalter bereits gelernt hat, mit vielen Widerständen kämpfen zu müssen, der wird im späteren Berufsleben mutmaßlich vorsichtiger an die Dinge rangehen, als jemand der mit weniger Belastungen aufgewachsen ist. Wer mit weniger Belastung aufgewachsen ist, vielleicht in einem behüteten Umfeld, wird zwangsläufig Herausforderungen suchen. Man wird versucht sein sich zu exponieren. Auch hier trifft die Wechselwirkung zu von der Thomas Hobbes seinerzeit sprach. Wer Krieg hat, will Frieden, wer Frieden hat will Krieg. Die Homöostase, das innere Gleichgewicht kommt dabei massgeblich zum Tragen. Verzicht oder gemildertes Vorgehen kann helfen die Ausprägungen der Wechselwirkungen überschaubar halten zu können.
Entscheidungsfindung als demokratischer Prozess
In rein patriarchalen Systemen steht ein Dominanzverhalten im Fordergrund. Diversität ist dem Dogmatismus, also Leitsätzen fürs Leben, die für mich als Einzelperson als Unverrückbar gelten, das Überleben wollen voraus. Ohne Diversität würden Mensch und Umwelt aussterben. Ein Konflikt zwischen Glauben und Realität. Durch Diversität mildert sich nun dieses Bestreben, ausschließlich mit Ellenbogenmentalität den Karriereweg zum Wohle äußeren Ansehens vorausgehen zu wollen erheblich. Vielmehr lässt sich am einzelnen Menschen der Individualismus erkennen der sich seinen Platz am entsprechenden Ort sucht. Nicht nur auf der politischen Weltbühne und in den Völkern ist die Demokratie umkämpft. Kleine Gruppen in Organisationen mit wirtschaftlichen Zielen stehen gegenwärtig im Kampf zwischen Demokratie und Aristokratie. Ein Wandlungsprozess der gegenwärtigen vor sich geht. Die Ellenbogenmentalität bringt zunehmend gesundheitliche Nachteile mit sich, was deutlich macht, das Menschen auf diese Weise vorzugehen weniger robust sind und mutmasslich auch sein sollen.
Wie aber entscheiden nun die Tiere als Anschauungsprozess wem sie folgen und wem nicht? „Wir haben bereits Belege dafür, dass diese Entscheidungsfindung wie ein Abstimmungsprozess funktioniert. Einige Individuen beginnen, sich von der Gruppe zu entfernen und eigenmächtig in eine bestimmte Richtung nach Nahrung zu suchen. Findet ihr Richtungsvorschlag genügend Unterstützer, folgt ihnen schließlich die gesamte Gruppe. Finden sie dagegen keine Anhänger, sind sie gescheitert und kehren zur Gruppe zurück“, erklärt Damien Farine, der die Studie leitete. „Die größte Vorhersagekraft für die letztendliche Bewegungsrichtung der Gruppe hat daher die Richtung des Tieres mit den meisten ‚Followern‘.“
Das gegenwärtige Bild – Erosion der Demokratie
Das gegenwärtige politische Bild und die Lage in der Welt sagen genau das Gegenteil. Man kann dies allerdings auch auf die Weise deuten, als das es eine Form letzten Aufbegehrens vor dem Ende einer Epoche darstellt. Einer modernen Generation ist durchaus bewusst, das die Formen politischen Systems wie wir sie bisher kennen nicht zum Wohle der Klimaentwicklung beigetragen hat, genausowenig den Menschen oder Völkerrechten. Insofern muss man erwarten, dass eine Politik wie sie derzeit betrieben wird, modernen Herausforderungen nicht mehr bestehen können wird. Im Augenblick scheint sich Narzissmus und Egozentrik durchzusetzen. Die Angst etwas zu verlieren, das „meine“ Ressourcen knapp werden könnten bringt Menschen um den Verstand.
Während auf der Weltbühne der Fokus auf den Konflikten ist, rumort im Hintergrund aber eine Lösung mit weit mehr friedfertigeren Bestrebungen. Menschen wechseln heute häufiger den Job als noch vor wenigen Jahren. Auf diese Weise suchen sich Individuen und Gruppen um dem Bild des freiwilligen Folgens gerecht werden zu können. Das richtige Team in der Organisation, welche ein Ziel verfolgt mit dem ich mich als Individuum verbinden kann, loyal sein kann ist das zentrale Thema. Der Schwerpunkt richtet sich danach wie ich mich selbst in dem Job erkenne und wiederfinde in dem ich stehe. Die Entwicklung meines Individuums steht im Fordergrund. Es ist daher durchaus eine Parallelität die sich auf der einen Seite nach aussen hin zu verteidigen scheint, weil sie besorgt um den Verlust ihrer erkämpften Ressourcen ist, auf der anderen Seite nutzen Menschen die dadurch entstehenden Möglichkeiten sich neu einzustellen und den richtigen Platz für sich zu finden.
Was ist das Motiv bei Tieren in einer bestimmten Situation die Führungsrolle einzunehmen, während andere lieber folgen? In ihrer aktuellen Studie untersuchten die Forschenden die körperlichen Folgen, die dieser kollektive Entscheidungsprozess für die beteiligten Tiere hat. Dafür beobachteten sie über einen Zeitraum von vier Monaten eine Gruppe freilebender Perlhühner in Kenia und überwachten mit Hilfe von Herzfrequenzmessern und GPS-Ortungsgeräten deren Herzfrequenz und Bewegungsmuster. Sie fanden heraus, dass die Bewegung in der Gruppe an sich schon zu einer erhöhten Herzfrequenz führt, die deutlich höher liegt als bei Tieren, die sich gänzlich unabhängig von der Gruppe bewegen. Gleichzeitig nahm ein weiterer physiologischer Messwert, die sogenannte Herzfrequenzvariabilität, ab.
Scheitern verursacht Stress
Am höchsten war die Herzfrequenz der Perlhühner jedoch immer dann, wenn diese versuchten, zu führen, indem sie aus der Gruppe heraus eine neue Bewegungsrichtung einschlugen – insbesondere in den Fällen, in denen sie dies entgegen der Mehrheit der Gruppenmitglieder taten. „Die meisten von uns können das wahrscheinlich nachempfinden. Die Situation ist ein wenig, als ob man eine Gruppe von Freunden spontan für den Besuch des eigenen Lieblingsrestaurants begeistern möchte, der Großteil der Freunde aber lieber woanders hingehen will“, veranschaulicht James Klarevas-Irby, einer der HauptautorInnen der Studie. Den beobachteten Anstieg der Herzfrequenz und die gleichzeitige Abnahme ihrer Variabilität deuteten die Forschenden als Anzeichen von physiologischem Stress, der einen erhöhten Energieverbrauch und langfristige physiologische Schäden mit sich bringen kann.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Verhaltensweisen, die oft als vorteilhaft für das Individuum angesehen werden – nämlich der Versuch, innerhalb der Gruppe die Führung zu übernehmen und so das Verhalten der gesamten Gruppe zu bestimmen – auch ihren Preis haben, da sie physiologisch kostspielig sind“, fasst Hanja Brandl, ebenfalls als HauptautorIn an der Studie beteiligt, zusammen. „Das ist ein entscheidender Nachteil und könnte erklären, warum manche Tiere sich gegen eine Führungsrolle entscheiden und lieber im Hintergrund bleiben.“ Die Forschenden gehen davon aus, dass ihre Ergebnisse ein allgemeines Verhaltensmuster gruppenlebender Tiere widerspiegeln und sich daher auch auf andere Arten übertragen lassen.
Originalpublikation:
H.B. Brandl, J.A. Klarevas-Irby, D. Zuñiga, C. Hansen Wheat, C. Christensen, F. Omengo, C. Nzomo, W. Cherono, B. Nyaguthii & D.R. Farine, The physiological cost of leadership in collective movements (2025) Current Biology; doi: 10.1016/j.cub.2025.06.065
Der Exzellenzcluster Kollektives Verhalten der Universität Konstanz ist ein weltweit führendes Spitzenforschungszentrum für die Erforschung von Schwarmverhalten. Interdisziplinär werden drängende Fragen über Arten- und Organisationsebenen hinweg angegangen, von neuronalen Mechanismen über individuelle Wahrnehmung und Präferenzen bis hin zu kollektivem Verhalten in Gruppen oder ganzen Gesellschaften.
Förderung: Europäischer Forschungsrat (ERC), Schweizerischer Nationalfonds (SNF), Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Max-Planck-Gesellschaft und Swedish Research Council
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