Im menschlichen Körper verarbeiten Stammzellen genetische Informationen äußerst verlässlich und sehr schnell. Dazu greifen sie gezielt auf bestimmte Abschnitte der DNA im Zellkern zu. Wie das DNA-basierte Informationssystem funktioniert, haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) untersucht. Ihre Ergebnisse zeigen, dass dieser Vorgang mit Prozessen in modernen Computern vergleichbar ist und somit als Vorbild für neue Arten von DNA-basierten Computerchips dienen könnte. Veröffentlichung in „Annals of the New York Academy of Sciences“. (DOI: 10.1111/nyas.15415)
Karlsruhe/Germany, 09, September 2025. – Gut 20.000 Gene die auf einem zwei Meter langen DNA-Faden fein aufgewickelt in einem 10 Mikrometer kleinen Kern zu finden sind nennen sich Bestandteil menschlicher Zellen. Obwohl hier kaum Raum ist schaffen es die Stammzellen innerhalb weniger Minuten an die richtigen Gene zu kommen und diese zu aktivieren. Diese Gene unterscheiden sich je nach Zelle. Bevor man diese biologischen Nachweise erweisen konnte wussten Forscher bereits seit den 1950er Jahren das Wachstum von Menschen einem präzisen Gebilde und Taktung folgen muss. Ansonsten bleiben Defizite im weiteren Verlauf des Lebens Bestandteil, woraus geschlossen wurde das dies evolutionär gewünscht sein muss. Die Überlebensfähigkeit der Zellen geht mit Mutationen und Resilienzen einher, so das eine Fortführung von Leben gegeben ist. Die präzise Aktivierung der Gene ist entscheiden, Fehler in der Genauswahl führen zu Krankheit oder Zelltod und ist wie man sieht, von Epoche zu Epoche wachsend und Herausfordernd.
Biomolekulare Kondensate können das zuverlässige Aktivieren der richtigen Gene ermöglichen. „Biomolekulare Kondensate sind winzige Tropfen, die sich ähnlich wie die Tröpfchen am Badezimmerspiegel nach einer heißen Dusche an bestimmten Stellen der DNA bilden und sich dabei wie Öl in Wasser verhalten“, sagt Professor Lennart Hilbert vom Institut für Biologische und Chemische Systeme (IBCS) des KIT. „Sie enthalten molekulare Maschinen, also eine Ansammlung bestimmter Moleküle, die für das Aktivieren von Genen nötig sind.“
Die Von-Neuman-Architektur ist ein grundlegendes Prinzip der Computertechnologie wie man sie heute auch in Embedded-Systemen wie bsw. Smartphones findet. Die Möglichkeit Gene gezielt zu aktivieren ist dieser Architektur sehr ähnlich. Bei der Von-Neuman-Architektur kann sich ein einziger Prozessor mit hoher Geschwindigkeit gezielt mit einer einzigen Adresse in einem großen Arbeitsspeicher – oft auch RAM genannt – verbinden. Dieses Prinzip wollen die Forschenden nun auf künstliche, DNA-basierte Computerchips übertragen, um damit zukünftig etwa die Steuerung biotechnologischer und biomedizinischer Anwendungen zu ermöglichen.
Oberflächen, die rechnen
„Um solche biomolekularen Kondensate, also die Rechenzentren der Zellkerne, nachbilden und künstliche DNA-Nanostrukturen für Computerchips bauen zu können, kombinieren wir klassische Laborexperimente mit modernen Computersimulationen. Mit den digitalen Modellen der DNA-Nanostrukturen können wir das Verhalten der Kondensate nachvollziehen und sogar vorhersagen“, erklärt Mona Wellhäusser, Doktorandin am IBCS und eine Mitautorin des Papers.
Dazu simulieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Computer ein System, in dem Enzyme wie kleine Maschinen arbeiten und spezifische Aufgaben erledigen, zum Beispiel Rechnungen ausführen. Damit diese Enzyme an den richtigen Ort auf der DNA gelangen, nutzen sie die Oberflächenkondensation, bei der sich die Enzyme wie von selbst an bestimmten Stellen auf der DNA ansammeln – genau dort, wo sie gebraucht werden. Wurden in der Simulation Kandidaten identifiziert, die sich korrekt verhalten, werden sie real synthetisiert und in Reagenzgläsern auf ihre tatsächlichen Eigenschaften geprüft. „Das beschleunigt den Forschungsprozess ungemein, da Computersimulationen sehr viel weniger Zeit erfordern, als Laborexperimente“, so Hilbert. „Bisher konnten wir nur eine Adresse ansteuern. Aber mit unserer Forschung ebnen wir den Weg, um ein umfassenderes Adresssystem und völlig neue, DNA-basierte Speicher- und Computersysteme zu entwickeln, deren Architektur sich am Vorbild der Natur orientiert.“
Der Corona-mRNA-Impfstoff und eine kürzlich erfolgreiche patientenspezifische, „programmierte“ Gentherapie würden schon heute das Potenzial von durch DNA und RNA programmierbaren Biotechnologien zeigen, so die Forschenden. Ein weiteres vielversprechendes Anwendungsfeld seien „DNA-Chips“ zur intelligenten Steuerung von Krebstherapien. Sie könnten Immunzellen gezielt umprogrammieren, sodass diese aktiv werden, sobald sie auf Krebszellen treffen.
Originalpublikation
Lennart Hilbert, Aaron Gadzekpo, Simon Lo Vecchio, Mona Wellhäusser, Xenia Tschurikow, Roshan Prizak, Barbara Becker, Sandra Burghart, Ewa Anna Oprzeska-Zingrebe: Chromatin-associated condensates as an inspiration for the system architecture of future DNA computers. Annals of the New York Academy of Sciences, 2025. DOI: 10.1111/nyas.15415
(https://nyaspubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/nyas.15415)
Weitere Informationen:
(https://bip.ibcs.kit.edu/82.php)
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Bildquelle
Copyright: Lennart Hilbert, KIT, Quelle: Lennart Hilbert, Um das Verhalten der DNA nachvollziehbar und vorhersagbar zu machen, kombinieren die Forschenden Laborexperimente mit Computersimulationen.



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