Humanoider Roboter

„Wenn wir wirklich intelligente Roboter wollen, müssen wir das Design der Roboterkörper verbessern.“


Dank künstlicher Intelligenz können Roboter Menschen bereits viele Aufgaben abnehmen. Im Interview erklärt Edoardo Milana, Juniorprofessor für Soft Machines an der Universität Freiburg, wie ein verbessertes Design und neuartige Mechanik das Anwendungspotenzial der Maschinen erweitert.

Freiburg/Germany, 12. Juni 2025. – Seit vielen Jahren wird auf sehr vielen Gebieten sehr differenziert geforscht und entwickelt. Bei dieser Entwicklung und Fortschritt stellt sich zwangsläufig nach gewissen Entwicklungsphasen immer wieder die Frage danach, was macht einen Menschen aus, was einen Roboter, eine Künstliche Intelligenz, einen Humanoiden. Und damit geht natürlich auch die Frage der Optimierung einher. Alles das sind aber auch Fragen die in der wachsenden technisierten Welt auch Menschen bewegt.
Der Gegenspieler solcher Entwicklungen ist bei all dem Wachstum auch die Sorge wohin all das führen soll. Wenn sich die Frage stellt, ob wir, als Gesellschaft – wirklich intelligente Roboter wollen, dann muss man auch die Frage stellen ob es auch Menschengruppen gibt die um dieses Mass, dieses Wachstum besorgt sind und wie sie mit ihren Ängsten und Sorgen umgehen. Allem voran natürlich die differenzierte Frage was genau Sorge bereitet. Denn auch der Gedanke, was genau mir Sorge macht bedeutet nicht nur eine Sensibilisierung, vielmehr ein Bewusstsein dafür zu schaffen was Angst an der Stelle bedeutet. Allem voran steht dem Gegenüber auch die Generationenfrage. Für eine moderne Generation ist Fortschritt vor dem aktuellen Hintergrund eine Welt wie man sie nicht anders wahrnehmen kann. Ein moderne Generation muss sich die Welt der Vergangenheit erarbeiten, gedanklich erwirtschaften, während ältere Generationen mit erlebter Vergangenheit konfrontiert werden.
Für die Materialisten in der Vorsokratischen Zeit war das Erkennen der Dinge eine Übertragung materieller Bildchen einzelner Objekte. Für Spiritualisten wie Platon geht erkennen auf ein Wiedererkennen auf eine vor der Geburt geschaute universale Idee zurück. Anders als die bisherige Vergangenheit blicken wir als Gesellschaft auf ein sich beschleunigendes Zeitalter, den die Beschleunigung ist Teil einer wachsenden Intelligenz. Und damit erweitern sich auch die Abstände zwischen den Auffassungen und Darstellungen zwischen den Generationen.
Vielleicht ist diese Art der Diskussion weit wichtiger als die einer natürlichen Erforschung dessen was intelligente Roboter ausmachen wird. Welche Diskussion wirklich wichtig ist zeigt das nähere Hinsehen wie im nachfolgenden Interview.

Herr Milana, warum braucht es eine Alternative zu herkömmlichen Robotern?

Edoardo Milana: Natürlich können Roboter mithilfe von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen heute schon erstaunliche Dinge leisten. Allerdings konzentriert sich all diese Intelligenz auf die Software – das Gehirn – und es wird kein vergleichbarer Fokus auf die mechanische Konstruktion – den Körper – gelegt. Roboter sind also so etwas wie Marionetten. Mithilfe von Software wird versucht, die volle Kontrolle über alle Bewegungen des Körpers auszuüben. Dieser Ansatz setzt voraus, dass die Hardware mechanisch sehr einfach ist und sich mit digitalen Mikrocontrollern leichter bedienen lässt. Je nach Anwendungsbereich kann dies ausreichen und sogar notwendig sein, um die Anforderungen an Präzision und das Wirken großer Kräfte zu erfüllen. Betrachtet man jedoch die Bewegungseffizienz und Agilität, so bleibt die Leistung von Robotern weit hinter der von Lebewesen zurück.

Dabei gibt es schon Roboter, die Tiere wie Hunde oder Katzen imitieren.

Milana: Diese Quadrupeds – und sogar Humanoide – sind zwar beeindruckende technische Meisterwerke, können aber in Bezug auf die Beweglichkeit nicht mit echten Tieren mithalten. Sie verbrauchen außerdem viel Energie, um sich fortzubewegen, während Tiere und auch Menschen bei viel geringerem Energieverbrauch viel komplexere Bewegungen ausführen können. Ein Quadruped, der in normalem Tempo läuft, verbraucht im Durchschnitt etwa 300 Watt, um seine 12 Motoren, die ,Muskeln‘ des Roboters, anzutreiben, während ein Hund 30 Watt verbraucht, um Hunderte von Muskeln zu aktivieren. Dies ist möglich, weil die Bewegungen in der Natur stark von den mechanischen Eigenschaften des Körpers abhängen. Dieser passt sich passiv und aktiv an die von der Umgebung ausgeübten Kräfte an, indem er sich die Nachgiebigkeit biologischer Materialien zunutze macht. Neben der digitalen Steuerung sollte der Schwerpunkt in der Robotik auch auf der Implementierung von Intelligenz oder ,verkörperter Intelligenz‘ in das Design des Roboters liegen. Dadurch würden Rechenkapazitäten und Energie, die derzeit für die Bewegungssteuerung auf niedriger Ebene verwendet werden, für die logischen Operationen des Roboters auf höherer Ebene freigesetzt, wie Denken, Planen und Wahrnehmen.

Der Begriff der verkörperten Intelligenz kommt ursprünglich aus der Philosophie und Psychologie. Was bedeutet er für Sie als Ingenieur, der Roboter entwickelt?

Milana: Für mich ist daran interessant, dass sich die Theorie dahinter nicht nur auf biologische Wesen, sondern auch auf Roboter anwenden lässt. Der Grundgedanke dieser Theorie ist, dass die physische Interaktion zwischen dem Körper und der Umwelt intelligentes Verhalten hervorbringt. Es geht nicht nur darum, einen Körper zu haben, der vom Verstand kontrolliert wird; diese Kontrolle liegt teilweise auch im Körper selbst und in der Art und Weise, wie er mit dem Verstand interagiert. In der Robotik bedeutet das: Wenn wir einen wirklich intelligenten Roboter wollen, können wir nicht einfach einen Körper bestehend aus zwei oder drei Metallstäben und ein paar Gelenken nehmen und dann einen sehr intelligenten Computer hineinstecken. Wenn das so wäre, hätten wir bereits Roboter mit ganz anderen Fähigkeiten.

Wie können solche intelligenten Roboter stattdessen aussehen?

Milana: Ich forsche zu Softrobotern aus weichen Materialien, die man als von primitiven und aquatischen biologischen Organismen inspiriert betrachten könnte. Es gibt bereits Roboter in diesem Bereich, deren Steuerung vollständig auf physikalischen Prinzipien beruht und die deshalb keine digitalen Mikrocontroller benötigen. Sie nutzen die nichtlinearen physikalischen Eigenschaften weicher Materialien, um die Steuersignale zu erzeugen, die den Roboter antreiben. Zusammen mit Forschenden aus Stuttgart, den Niederlanden und Belgien habe ich eine Studie verfasst, in der solche Softroboter vorgestellt werden, die ein neues Konzept einführen: Das Konzept der ,physikalischen Kontrolle‘. Wir haben drei besondere Kontrollmechanismen für solche Softroboter identifiziert. Ein interessantes Beispiel sind Roboter mit selbst-oszillierenden Ventilen. Wenn Luftdruck zugeführt wird, öffnen sich die Ventile und schließen sich dann wieder, wodurch der Luftdruck erhöht und dann wieder abgelassen wird. Dadurch wird ein rhythmisches Luftdrucksignal durch das System übertragen, das die Bewegung der einzelnen Roboterteile steuert. In Zukunft werden wir einen Kompromiss finden müssen: Wir werden in der Robotik nicht ohne Software und Mikrocontroller auskommen, aber wir können durch ein besseres Design der Roboterkörper viel erreichen.

Weitere Informationen:
• Originalpublikation: Milana, E., Santina, C. D., Gorissen, B., & Rothemund, P. (2025). Physical control: A new avenue to achieve intelligence in soft robotics. Science Robotics, 10(102). DOI: 10.1126/scirobotics.adw7660
• Edoardo Milana ist seit 2023 Tenure-Track-Professor für Soft Machines am Institut für Mikrosystemtechnik und am Exzellenzcluster Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems (livMatS) der Universität Freiburg. Seine Forschung konzentriert sich auf das Design und die Herstellung von Robotern, Maschinen und Geräten, die dank ihrer physischen Verkörperung auf verschiedenen Ebenen sicher, effizient und agil mit ihrer Umgebung interagieren. Diese physische Intelligenz wird durch multifunktionale Materialien und Strukturen mit verteilter Betätigung, Sensorik, Steuerung und Energie umgesetzt.


Originalpublikation:

https://doi.org/10.1126/scirobotics.adw7660

Weitere Informationen:

https://uni-freiburg.de/wp-admin/post.php?post=41961&action=edit

Bildquelle
Pete Linforth Pixabay


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