Schaltkreise im Gehirn

Welche Schaltkreise im Gehirn unser Alltagsverhalten bestimmen


Vom dualen System zum Netzwerk: Forschungsteam aus Chemnitz, Santiago de Chile und Magdeburg hat eine neue Sicht auf die Handlungssteuerung im Gehirn und ihren Nutzen für die Entwicklung neuroinspirierter KI

Chemnitz/Germany, 24. Oktober 2025. – Das erforschen und erschließen spezifischer und universeller Funktionen des Gehirns wird offensichtlich sehr lange begleitend für den kommenden Zeitgeist sein und bleiben. Es wird nichts weniger werden als jeden Moment eines Lebens zu erfassen, auf Allgemeingültigkeit zu prüfen um daraus Elektronische Nachbildungen und in der Folge neuronale Netze zu entwerfen. Die Form einer zweiten Evolution wie die des Menschen nimmt Gestalt an, auch wenn die Vielfalt und der Individualismus des Menschen unerforschbar bleiben werden. Künstliche Intelligenz wird immer ein Kind des Menschen bleiben und Teil einer modernen hybriden Form des Lebens sein.

Ob ein Mensch einen inneren Zugang zu seiner Gefühlswelt hat, wie tiefgründig oder Oberflächlich, entscheidet nicht über das begleitende Motiv. Jeder Mensch hat zwangsläufig Motive die ihn in Bewegung versetzen. Jeder Mensch hat Motive, Ziele und Methoden, die es zu erforschen gilt und zu denen sich mit dem Verlauf der Zeit zunehmend ein Zugang entwickeln wird. Anderes wird man vernachlässigen. Das Bewusstsein konzentriert sich immer in gewisser Weise in der Auseinandersetzung mit dem Selbst, genauso wie mit den Themen die kollektiv das Weltgeschehen betreffen. In der Psychologie beginnt die häufigste Darstellung in Fachbüchern mit der Frage, was Menschen bewegt am Morgen aufzustehen.

In einer weiteren Ausdifferenzierung stellte sich die Wissenschaft jetzt die Frage, ob Bewegungen geplant oder automatisch gehandelt wurde.
Diese einfache Frage führt direkt zum Kern einer zentralen Unterscheidung in den Neurowissenschaften: zwischen Handlungen, die gewohnheitsmäßig ablaufen, und solchen, die zielgerichtet sind. In einer kürzlich, im renommierten Journal „Trends in Neuroscience“, veröffentlichten Arbeit stellen Prof. Dr. Fred Hamker (Professur Künstliche Intelligenz der Technischen Universität Chemnitz), Dr. Javier Baladron (Universidad de Santiago de Chile) und Dr. Lieneke Janssen (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg) genau diese klassische Unterscheidung in Frage. Sie schlagen vor, dass unser Verhalten wahrscheinlich durch das Zusammenspiel verschiedener Hirnkreisläufe geprägt wird – und dass ähnliche Prinzipien künftig auch für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) relevant sein könnten.

Bisher gehen Forschende davon aus, dass unser Gehirn über zwei Systeme verfügt, die unser Denken und Handeln steuern: ein schnelles, automatisches System und ein langsames, bewusstes System – bekannt etwa aus Daniel Kahnemans Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“. Diese Systeme führen entweder zu schnellen, gewohnheitsmäßigen Handlungen oder zu überlegtem, zielgerichtetem Verhalten. Doch laut Hamker, Baladron und Janssen entsteht ein Großteil unseres Alltagsverhaltens durch eine komplexe Kette von Vorgängen im Nervensystem, bei der beide Systeme eng miteinander verflochten sind.

Das Forschungsteam schlägt daher ein neues Modell vor: Statt zwischen „gewohnheitsmäßig“ und „zielgerichtet“ zu unterscheiden, sollte man Verhalten auf einem Kontinuum betrachten. Im Zentrum stehen dabei die Schleifen der Basalganglien mit Thalamus und Kortex – wiederkehrende Schaltkreise im Gehirn. „Diese Schleifen ermöglichen sowohl zielgerichtetes als auch automatisches Verhalten. Entscheidend ist, wie stark sie miteinander interagieren: Wenn Abkürzungen innerhalb dieser Schaltkreise entstehen, wird Verhalten eher zur Gewohnheit. Wenn dagegen alle Schleifen vollständig durchlaufen werden, bleibt das Handeln stärker auf ein Ziel ausgerichtet“, erläutert Hamker.

Ihre Überlegungen könnten auch neue Impulse für die KI-Forschung liefern. Die drei Forschenden sehen Parallelen zwischen den Aufmerksamkeitsmechanismen moderner Transformer-Netzwerke – also jener Technologie, die auch großen Sprachmodellen zugrunde liegt – und der Kontextverarbeitung im menschlichen Gehirn. „Indem KI-Modelle künftig gewohnheitsähnliche Abkürzungen nutzen, könnten sie effizienter und energiesparender werden“, meinen die Forschenden. So eröffnet die Arbeit von Hamker, Baladron und Janssen nicht nur neue Perspektiven auf die Funktionsweise des menschlichen Gehirns, sondern auch auf die zukünftige Entwicklung intelligenter Maschinen.

Originalpublikation:

Interacting corticobasal ganglia-thalamocortical loops shape behavioral control through cognitive maps and shortcuts, Fred H. Hamker (TU Chemnitz), Javier Baladron (Universidad de Santiago de Chile) and Lieneke K. Janssen (OVGU Magdeburg), Trends in Neurosciences, 9 October 2025, https://doi.org/10.1016/j.tins.2025.09.006

Bildquelle
Gerd Altmann Pixabay


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert