Berührungen am eigenen Leib spüren, ohne das ein Hautkontakt hergestellt wird. Es gibt Einschränkungen im Leben in denen ein direkter Kontakt nicht sein darf. Aber auch der Versuch über eine virtuelle Welt das Gefühl für Kontakte aufkommen zu lassen, das wird jetzt aktuell durch smarte Textilien ermöglicht. Vom 22. bis 26. April stellen das Team um Stefan Seelecke und Paul Motzki von der Universität des Saarlandes diese Technologie auf der Hannover Messe vor. Eine hauchdünne Folie, die Berührungsempfindungen übertragen kann, macht dabei Stoffe zur zweiten, virtuellen Haut. Schwer kranken Kindern in Isolierstationen soll sie die Körpernähe ihrer Eltern bei computersimulierten Besuchen spürbar machen: Sie soll ihr Streicheln fühlbar übertragen.
Berührungen beruhigen den Organismus, hemmen den Stress, trösten, vermitteln Sicherheit, Geborgenheit und Nähe. Geben die Nervenzellen der Haut solche Reize weiter, werden blitzschnell viele Hirnbereiche aktiv und fachen die körpereigene Biochemie an. Hormone und andere Botenstoffe werden ausgeschüttet, darunter Oxytocin, das Wohlgefühl und Bindung entstehen lässt.
Damit Kinder in Isolierstationen die Körpernähe ihrer Eltern auch bei virtuellen Besuchen spüren und möglichst realitätsnah in dieses Erlebnis eintauchen können, arbeitet an der Universität des Saarlandes, an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar), am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA) und am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) ein Forschungsteam über die Fachgrenzen hinweg zusammen.
Saarland, April, 04th, 2024. Das Team um Stefan Seelecke und Paul Motzki sind Spezialisten auf dem Gebiet, Oberflächen mithilfe leichter Silikonfolien zu versehen und diesen damit neue Fähigkeiten aufzutragen. Wie die Haut Schnittstelle des menschlichen Körpers zu seiner realen Außenwelt ist, soll die Folie seine Schnittstelle zur virtuellen Welt werden. Damit soll eine neue Körperwahrnehmung in der fiktiven Realität entstehen. In einem Textil eingearbeitet, sollen die Folien die Berührungen auf die Haut des Kindes übertragen, die entstehen, wenn Mutter oder Vater andernorts über ein zweites smartes Textil streichen. Die Folie erkennt als Sensor wie genau Hand und Finger die Folie beim Darüberstreichen eindrücken, eindellen und dehnen. Exakt diese Deformation, die durch die Berührungsbewegungen entsteht, imitiert die Folie in einem zweiten Textil auf der Haut des Kindes, um so etwa auf dem Arm den Eindruck eines Darüberstreichens zu vermitteln. Das Verfahren ist günstig, leicht, geräuschlos und energieeffizient. Die Folientechnologie kann auch bei Computerspielen das Spielerlebnis durch eine realistische Körperwahrnehmung intensiver machen. Auf der Hannover Messe zeigen die Saarbrücker Expertinnen und Experten für intelligente Materialsysteme weitere Entwicklungen mit dielektrischen Elastomeren: so zum Beispiel weitere smarte Textilien wie sensorische Shirts oder Schuhsohlen, auch Pumpen und Vakuumpumpen sowie Hochleistungsaktoren. Hintergrund: Im Rahmen des EFRE-Projektes „Multi-Immerse“, das Professorin Martina Lehser (Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes htw saar/ZeMA) leitet, arbeiten am Center for Digital Neurotechnologies Saar (CDNS) auf dem Medizin-Campus Homburg die Universität des Saarlandes, die htw saar und das Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA) zusammen. Außer Professorin Martina Lehser und den Professoren Stefan Seelecke und Paul Motzki sind beteiligt von der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes Professor Daniel Strauss (Direktor der Systems Neuroscience & Neurotechnology Unit), Professor Michael Zemlin (Direktor der Universitätskinderklinik), Professorin Eva Möhler (Direktorin der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychatrie) sowie Informatiker der Universität des Saarlandes (Professor Jürgen Steimle) und des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI).
Bildquelle: Oliver Dietze, Universität des Saarlandes
Doktorandin Sipontina Croce und Student Lukas Roth (r.) forschen an Folien, die Textilien neue Fähigkeiten verleihen. Smarte Arbeitshandschuhe werden ebenso möglich wie smarte „Uhren“, die virtuelle Berührungen spürbar machen.
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