Neues Populationsmodell definiert vier Phasen der menschlichen Besiedlung Europas

Neues Populationsmodell definiert vier Phasen der menschlichen Besiedlung Europas


Forschende des Instituts für Geophysik und Meteorologie der Universität zu Köln haben ein „Our Way Model“ entwickelt, um zu verstehen wie die ersten anatomisch modernen Menschen Europa besiedelten. Die Ergebnisse wurden unter dem Titel „Reconstruction of human dispersal during Aurignacian on pan-European scale“ in Nature Communications veröffentlicht.

Köln, 04. September 2024. WissenschaftlerInnen der Kölner Universität haben ein Modell entwickelt, um zu sehen wie die ersten anatomisch modernen Menschen sich in der Zeit zwischen 43.000 bis 32.000 Jahren, während des Aurignacien, der letzten Eiszeit, verbreiteten. Das Modell „Our Way Model“ zeigt in vier Phasen, wie es von einer, in der ersten Phase langsamen Ausbreitung der Besiedelung von der Levante bis zum Balkan kommt. In einer zweiten Phase eine rasche Ausbreitung nach Westeuropa bis zum Rückgang der Bevölkerung in einer dritten Phase. Die vierte Phase zeichnete sich durch eine regionale Bevölkerungsdichte aus. Die vierte Phase war weiterhin von Besiedlungen Richtung Grossbritannien als auch der iberischen Halbinsel geprägt.

Die frühen anatomisch modernen Menschen überlebten als Jäger und Sammler über extrem lange Zeiträume. Als sie begannen, sich in Europa auszubreiten, herrschten weltweit andere klimatische Bedingungen als heute: Das überwiegend kühlere und trockenere Klima der letzten Eiszeit wurde wiederholt von wärmeren Phasen unterbrochen, wobei einige Veränderungen abrupt und andere allmählich eintraten.
Für die Ausbreitung der Menschen nach Europa sorgten mutmasslich den vielfälltigen und umfassenden menschlichen Entdeckergeist, eine veränderte Sozialstruktur und technischer Fortschritt. Durch das Modell nachweisbar ist allerdings wie sich der Klimawandel auf die Ausbreitung der Menschen auswirkte. Die Ausbreitungsprozesse verliefen nicht linear; manchmal rückten die Menschen schnell vor und manchmal zogen sie sich in klimatische Refugien zurück.

Das Forschungsteam geht davon aus, dass die frühe Besiedlung Europas hochkomplexe Prozesse der Ausbreitung, des Rückzugs, Auflassens und der Wiederbesiedlung umfasste, die durch klimatische Veränderungen und die Anpassungsfähigkeit der Menschen bedingt waren.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass auf die erste Phase der relativ langsamen Ausbreitung nach Westen von der Levante bis zum Balkan (vor ca. 45.000 bis 43.250 Jahren) eine zweite Phase der schnellen Ausbreitung nach Westeuropa (vor ca. 43.250 bis 41.000 Jahren) folgte. Obwohl von kurzen Rückschlägen unterbrochen, erreichten die Homo sapiens-Populationen nun rasch eine geschätzte Zahl von 60.000 Menschen in ganz Europa, die sich über alle bekannten archäologischen Fundstellen dieser Periode verteilten.

Die anschließende dritte Phase war durch einen Rückgang der menschlichen Bevölkerung gekennzeichnet, sowohl in Bezug auf ihre Größe und Dichte als auch auf das von ihr bewohnte Gebiet (vor ca. 41.000 bis 39.000 Jahren). Diese Entwicklung war die Folge einer lang anhaltenden Kältephase, die fast 3.000 Jahre dauerte und als GS9/HE4-Phase bekannt ist. Dem Modell zufolge überlebten die Menschen jedoch in topographisch geschützten Gunsträumen (zum Beispiel in den Alpen), die sie in der vorangegangenen Phase gerade besiedelt hatten.

In der vierten Phase, beginnend vor etwa 38.000 Jahren, als sich die HEP-Bedingungen wieder verbesserten, erholte sich die Population schnell und wuchs weiter. Die regionale Zunahme der Bevölkerungsdichte und das weitere Vordringen in zuvor unbesiedelte Gebiete Großbritanniens und der Iberischen Halbinsel, die das Modell aufzeigt, stehen weitgehend im Einklang mit archäologischen Befunden.

Die HEP-Karten zeigen, dass am Ende des Prozesses manche Gruppen besser an kalte Klimabedingungen angepasst waren als andere, was es ihnen ermöglichte, die Grenzen der zuvor besiedelten Gebiete zu überschreiten. „Regionale Studien sind kaum in der Lage, alle Faktoren zu erfassen, die bei der Rekonstruktion der Ausbreitung des Menschen eine Rolle spielen. Dies schließt auch die Frage ein, wie die Faktoren auf verschiedenen Skalenebenen interagieren und zu langfristigen Gesamttrends beitragen. Darin liegt ein großer Vorteil des neuen Modellierungsansatzes“, sagt Dr. Isabell Schmidt vom Institut für Ur- und Frühgeschichte.

In weiteren Forschungsarbeiten wird das Team die dem Modell zugrundeliegenden Annahmen überprüfen und sich dabei auf die Rolle der kulturellen Entwicklung in menschlichen Ausbreitungsprozessen konzentrieren. Das Projekt „Human and Earth System Coupled Research“ (HESCOR) an der Universität zu Köln wird weitere Aspekte der Wechselwirkungen zwischen Mensch und Erdsystem in das Modell integrieren.

Originalpublikation:

https://www.nature.com/articles/s41467-024-51349-y
DOI: 10.1038/s41467-024-51349-y

Weitere Informationen

https://hescor.uni-koeln.de

Bildquelle
Franz Bachinger Pixabay


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