Stephanie Döpper ist neue Juniorprofessorin in der Altertumswissenschaft der Universität Würzburg. Mobilität und mobile Gruppen in früheren Gesellschaften bilden einen ihrer Forschungsschwerpunkte. Dafür reist sie oft in den Oman.
Würzburg, 30. Oktober 2024. Ist der Mensch von Natur aus sesshaft? Lebt er gerne mit anderen Menschen dauerhaft an einem Ort, in Dörfern und Städten – trotz der damit verbundenen Nachteile, wie Seuchen, Konflikte mit den Nachbarn, Lärm und Dreck? Oder sind Menschen eigentlich mobil und haben es nur verlernt, in überschaubaren Gruppen umherzuziehen, wie es heute nur noch wenige Nomadenstämme machen?
Mit dieser Frage beschäftigt sich Stephanie Döpper in ihrer Forschung – unter anderem. Die 38-Jährige hat seit diesem Semester an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) die Juniorprofessur für Digital Humanities für Vorderasiatische Archäologie und Altorientalistik inne. Weshalb Menschen ihre Häuser verlassen und ganze Siedlungen aufgeben, hat sie in den vergangenen Jahren intensiv im Oman untersucht.
„Der Oman hat sich über viele Jahrhunderte hinweg stark unterschieden von dem, was traditionell, aber fälschlicherweise mit dem Begriff ‚Zivilisation‘ gleichgesetzt wird“, sagt Stephanie Döpper. Keine Königreiche, keine Herrscherdynastien und dementsprechend keine Paläste und großartigen Tempel haben die Gesellschaft im Südosten der arabischen Halbinsel geprägt. Die Menschen seien erst spät sesshaft geworden, was sich auch auf die Gesellschaftsordnung ausgewirkt hat. Wie unter diesen Umständen eine Gesellschaft funktionieren kann: Dafür interessiert sich Stephanie Döpper.
Frühe Begeisterung für die Archäologie
Für sie habe schon als Kind festgestanden: „Ich werde Archäologin“, erzählt Döpper. Woher die frühe Begeisterung für Ausgrabungen kam, können weder sie noch ihre Eltern erklären. Auf der Suche nach dem passenden Studiengang sei sie in Tübingen fündig geworden: Dort konnte sie sich für Vorderasiatische Archäologie, Ur- und Frühgeschichte sowie Altorientalische Philologie einschreiben. Auch zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits klare Vorstellungen davon, in welche Richtung es gehen soll: „Ich wollte in den islamischen Raum. Dort kam mir alles noch unerforscht und spannend vor.“
Seitdem bilden Siedlungen und Siedlungssysteme im Zentraloman einen Schwerpunkt ihrer Forschung. Der Zeitraum erstreckt sich dabei von der frühen Bronzezeit im dritten Jahrtausend v. Chr. bis ins 20. Jahrhundert. Eine Archäologin, die sich mit Ereignissen beschäftigt, die nur wenig mehr als 100 Jahre zurückliegen? Das entspricht nicht unbedingt dem Bild, das ein Laie von dieser Wissenschaft hat. Dabei ist die sogenannte „Neuzeit-Archäologie“ ein etablierter Teilbereich der Altertumswissenschaften, erklärt Döpper.
Forschung an verlassenen Siedlungen im Oman
Stephanie Döpper hat im Rahmen eines von der Gerda Henkel Stiftung finanzierten Projekts Lehmziegelsiedlungen erforscht. Diese sind wahrscheinlich im 18. oder 19. Jahrhundert entstanden; Anfang des 20. Jahrhunderts haben ihre Bewohner sie verlassen. Für die Gründe interessiert sich die Archäologin. Ihre Forschung zeigt, dass das vorherrschende Narrativ nicht stimmen kann. Demnach habe Sultan Qaboos bin Said al Said nach seiner Machtübernahme im Jahr 1970 den Oman radikal modernisiert und den Wohnungsbau vorangetrieben. Viele Einwohner des Landes seien deshalb aus ihren alten Häusern in moderne Wohnungen umgezogen, in denen fließend Wasser und Strom Standard waren.
Im Widerspruch dazu zeigen Stephanie Döppers Forschungsergebnisse, dass viele dieser Häuser schon lange vorher, teilweise in den 1920er-Jahren verlassen wurden. Dies korreliert mit anderen Ereignissen, zuallererst einem drastischen Rückgang der Importe und damit einem Wegfall von Handelsnetzen.
Ein kritischer Blick auf digitale Techniken
Digital Humanities bilden den zweiten Schwerpunkt von Stephanie Döppers Forschung; konkret geht es um digitale Techniken und deren Nutzen für die Altertumswissenschaften. „Historische Fundobjekte, Gebäude, ganze archäologische Grabungsstätten werden heutzutage schon fast automatisch dreidimensional erfasst und digitalisiert“, sagt sie. Ihr geht es nicht nur darum, diese Technik zu verbessern. Sie will vielmehr ihren Einsatz hinterfragen. Ist eine 3D-Kartierung sinnvoll? Welchen Mehrwert hat der Einsatz dieser Technik – und welche Auswirkungen auf die archäologische Forschung? Auf diese und viele verwandte Fragen sucht Stephanie Döpper Antworten. Sie will den Umgang im Fach kritisch reflektieren.
Diesen kritischen Blick will sie auch ihren Studierenden beibringen – kombiniert mit den digitalen Kompetenzen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrem Fach heute brauchen. Im Gegenzug wünscht sie sich von den Studierenden Interesse an alten Kulturen, viel Engagement und Motivation für ein Studium, das viele Freiheiten bietet, und die Bereitschaft, schon möglichst früh sich in der Feldforschung auszuprobieren.
Fremde Kulturen, ungewohntes Essen, herausforderndes Klima, wenig komfortable Unterkünfte: Darauf sollten sich angehende Archäologinnen und Archäologen einstellen. Einen Aspekt hält Stephanie Döpper jedoch für noch bedeutender: „Man sollte über ein gehöriges Maß an Sozialkompetenz verfügen“, sagt sie. Schließlich sei man in der Feldforschung über lange Zeiträume mit den immer gleichen Menschen zusammen – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Das allein sei bisweilen schon Herausforderung genug.
Zur Person
Stephanie Döpper (*1986) hat an den Universitäten Tübingen und Cambridge Vorderasiatische Archäologie, Ur- und Frühgeschichte sowie Altorientalische Philologie studiert. 2015 wurde sie in Tübingen mit einer Arbeit über spätbronzezeitliche Keramik promoviert; 2022 folgte die Habilitation an der Goethe-Universität Frankfurt zum Thema „The Reuse of Tombs in Eastern Arabia“.
Nach Stationen als Feodor Lynen Research Fellow an der Universität Leiden war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin in Frankfurt und Würzburg. Vor ihrem Wechsel auf die Juniorprofessur an der JMU war sie Start-Up-Professorin für Kulturelles Erbe an der Universität Heidelberg.
Bildquelle: Archiv Raetische Siedlung auf der Hohen Birga, Birgitz, Tirol
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