Exoskelett an der Hand

Exoskelette bringen Bewegung in den Alltag zurück


Besonders nach Unfällen mit Sehnenverletzungen, Arthrose oder als Folge von Schlaganfällen kann die Beweglichkeit der Hände beeinträchtigt sein. Als Hilfsmittel einer Therapie kommen verstärkt Exoskelette zum Einsatz, die wie ein zweites Skelett über der Hand angebracht werden und gezielt Handgelenk und Finger durchbewegen können. Doch nur ein Produkt, das ganz auf die Hand des Patienten abgestimmt ist, wichtige Anforderungen wie geringes Gewicht und kompakte Ausmaße erfüllt, bringt gute Voraussetzungen für einen Therapieerfolg mit. Denn eine Stütz- und Bewegungsstruktur, die ihren Träger mehr behindert als unterstützt, verstaubt oft unbenutzt im Regal.

Chemnitz/Germany, 7. August 2025. – Was in der Abbildung noch etwas unbeholfen wirkt, aber modernste Technologie bedeutet, kann in wenigen Jahren bereits Teil einer textilen Einheit sein, die unscheinbar wirkend an Arm oder Handgelenk positioniert wird.
Mittels innovativem 3D-Druck und der Modellierung über CAD können nun passgenaue und sanftmotorisch eingestellte Exoskelette innovativ an den Körper fixiert werden. Zunächst muss das Exoskelett perfekt an die Anatomie der Hand angepasst werden. Jede Hand ist individuell und einzigartig und unterscheiden sich daher in Größe und Proportionen. So bestehen auch an der linken und rechten Hand einer Person Unterschiede.

Mittels 3D-Druck-Technologie im selektiven Laserinterns (SLS) Verfahren können Exoskelette in nahezu unbegrenzter geometrischer Freiheit hergestellt werden. Dreidimensionale Formen werden Schicht für Schicht aus einem Kunststoffpulver aufgebaut. Ist ein parametrisches CAD-Modell erstellt lassen sich Herstellungsprozesse effizienter gestalten. Daher besteht ein grosser Vorteil darin wenn bereits zuvor ein 3D-Scan von der Patientenhand aufbereitet werden konnte. Mittels intramuskulärer Koordination sind die Handelemente neurologisch verbunden, was mittels einem 3d-Scan diese Beziehungsparameter mitkartografieren kann. So entsteht beim Druck nicht nur ein besonders präzises »Negativ« der Hand, eventuell erforderliche Anpassungen für spätere Neuanfertigungen sind mit einem CAD-Modell als Grundlage auch leichter umsetzbar.

Kompakter und präziser Antrieb

Doch nicht nur die Anatomie jeder Hand ist einzigartig. Auch die Handkraft unterscheidet sich deutlich. Bei den meisten Patientinnen und Patienten ist es sinnvoll, Kraft und Hub eines Exoskeletts für die Hand zu individualisieren. Gleichzeitig wäre ein hohes Eigengewicht des Hilfsmittels sehr belastend.

Neben der Passform der Schale kommt es daher insbesondere auf den Antrieb an. Alina Carabello, Doktorandin am Fraunhofer IWU und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Technischen Universität Chemnitz, setzt auf eine Kombination aus einem in zwei Richtungen wirksamen (bidirektionalen) Schrittmotor und aktuatorisch eingesetzten, als Formgedächtnislegierungen ausgeführten Drähten. Dieses Konzept basiert auf jeweils nur zwei künstlichen Sehnen, die der Schrittmotor für eine Beuge- bzw. Streckbewegung von Hand und Fingern präzise ansteuert. Dabei können verschiedene Positionen gehalten und bei Bedarf nachjustiert werden. Ein Nachregeln ist zum Beispiel bei einer Mineralwasserflasche aus Kunststoff erforderlich, die nachgibt, sobald der Verschluss geöffnet wird und Kohlensäure entweichen kann.

Und so funktioniert das Antriebssystem: Der Schrittantrieb basiert auf den Elementen Zahnrad, Hebel, Klinke und FGL-Draht. Wird der Draht erwärmt, zieht er sich zusammen und lenkt dadurch den Hebel um einen definierten Winkel aus. So wird das Zahnrad ‚mitgenommen‘, also in die gewünschte Richtung bewegt; das Seil der Streck- bzw. der Beugesehne wird auf eine Seilspule auf- bzw. abgewickelt. Durch diese Sehnenbewegung wird der Finger gebeugt oder gestreckt. Bei Carabellos Schrittantrieb wirken Formgedächtnislegierungen (FGL) als Aktoren: Ihre Formänderungsfähigkeit steuert die Bewegung des Zahnrads. Wird ein FGL-Draht durch elektrischen Strom aus einem Mikrokontroller gezielt erwärmt, verkürzt er sich, beim Wiederabkühlen dehnt er sich durch einen Gegenzug, beispielsweise durch eine Feder oder einen weiteren FGL-Draht. Diese Mechanik steuert die künstlichen Gliedmaßen des Exoskeletts. Insgesamt kann eine sehr präzise und wiederholbare Bewegung erreicht werden; das sanfte Ansprechverhalten der FGL-Drähte garantiert schonende Bewegungsschritte.

Individualisierte Exoskelette für therapeutische Zwecke

Das Fraunhofer IWU sieht bei vielen Hilfsmitteln in der Medizintechnik weiteren Individualisierungsbedarf, um die Bedürfnisse zu behandelnder Personen besser abbilden und therapeutisches Personal zielgerichteter unterstützen zu können. Viele Hilfsmittel orientieren sich an Standardvorgaben und sind selten an Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht oder tatsächliche Einschränkungen von Patientinnen und Patienten angepasst oder überhaupt anpassbar. Mit seinem Exoskelett für die Hand zielt das Fraunhofer IWU vorrangig auf Sehnenverletzungen nach Unfällen ab. Auch nach Schlaganfällen oder mit (angeborenen) Lähmungen ist es wichtig, im Genesungsprozess die betroffene Hand durchzubewegen – oft wären Übungen in engerer Abfolge sinnvoll, als es das Zeitbudget von Therapeuten erlaubt. Hier kann das am Fraunhofer IWU entwickelte Exoskelett Entlastung bieten, da die durchgehende Anwesenheit einer betreuenden Person nicht zwingend erforderlich ist.

Bildquelle
Copyright: © Fraunhofer IWU, Der Schrittantrieb mit den Elementen Zahnrad, Hebel, Klinke und FGL-Draht.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert