Wie hat sich die Demokratie am Arbeitsplatz in Europa in den 50 Jahren ab 1973 verändert? Forschende untersuchen Akteure, Kulturen und Modelle anhand von Fallstudien aus Deutschland, Spanien, Italien und Portugal im Eisenbahn- und Energiesektor. Das EU-Projekt „EURODEM_WORKSIPG“, das von der Universität Barcelona koordiniert und in Bochum von Prof. Dr. Stefan Berger, Professor für Sozialgeschichte und Direktor des Instituts für soziale Bewegungen der Ruhr-Universität Bochum, geleitet wird, wird durch die Europäische Kommission mit rund 800.000 Euro für vier Jahre gefördert.
Bochum/Germany, 4. November 2025. – „Die industrielle Demokratie hat einen jahrhundertealten und europäischen Ursprung“, erläutert Stefan Berger. „Ihre Blütezeit hatte sie nach dem Zweiten Weltkrieg. In den 1970er-Jahren wurden vielfältige Erfahrungen gemacht. Dann erlebte sie durch den Siegeszug der neoliberalen Perspektive und die Veränderungen in der globalen Wirtschaftsordnung einen relativen Niedergang. Erst Mitte der 1990er-Jahre und insbesondere nach der Großen Rezession von 2008 gewann das Thema erneut an Interesse, das bis heute anhält.“
Der klassische Liberalismus auch als Neoliberalismus bezeichnet, als Wirtschaftstheorie existiert spätestens nach der Industriellen Revolution. Schon mehrere Jahrhunderte zuvor hatte sich diese Entwicklung angebahnt. Als 1929 die Weltwirtschaftskrise stattfand, war es John Maynard Keynes der eine neue Theorie entwickelte. Nicht unbedingt ein Gegengewicht zum Liberalismus, aber eine der Situation angepasstere Option. Einer der bedeutendsten Schwerpunkte dieser Theorie sollte darin liegen, das nur nach Bedarf produziert würde, während der klassische Liberalismus zwangsläufig Warendruck erzeugt. Beispiel Pandemie 2021. Der Fleischhersteller Tönnies aus Gütersloh kam in Schwierigkeiten weil sich bei ihm Schweine ansammelten die nicht mehr geschlachtet werden durften und der Druck der nachgeschobenen Schweine nicht abgebaut werden konnte. Dabei gilt zu beachten das Schweine gemesstet wurden und keinem gewöhnlichen Wachstum ausgesetzt sind (Vgl. Corona-Ausbruch bei Tönnies, Was passiert nun mit den Schweinen?, 2020).
Weiterhin sah der nach ihm später benannte Keynesianismus vor, das sinngemäß Übergewinne an den Staat abgegeben werden sollte und dieser dann zu den Zeitpunkten der Unterbeschäftigung einspringe und die Unternehmen damit entlasste. In etwa Vergleichbar mit dem durch von Bismarck entstandenen Sozialsystem, das Menschen eine gewisse Grundsicherung, Absicherung bringt.
„Mit der Great Recession, bei der alleine in den USA vom Dezember 2007 bis Juni 2009 ein Rückgang des realen BSP von 5,1% und der Verlust an 7,5 Millionen Arbeitsplätzen zu verzeichnen war, ist die Keynesianische Stabilitätspolitik wieder in das Zentrum der öffentlichen Diskussion gerückt“ heißt es im Buch verschiedener Autoren der Ausgabe „Keynesianische Makroökonomie“. (Vgl. et al; Keynesianische Makroökonomie, 2012). Gängige Wirtschaftstheorien werden der jeweiligen Regierung, bsw. in Deutschland die Wirtschaftsweisen (Sachverständigenrat) in den Staaten empfohlen, um eine Anpassungsleistung zu erbringen. Der klassische Neoliberalismus als auch der Keynesianismus sind zwei solcher geläufigen Theorien des modernen Zeitgeistes (Siehe auch Lexikon #Keynesianismus). Der klassische Liberalismus gibt Unternehmen im Grunde grenzenlose Entwicklungsfreiheit, was beim Keynesianismus nicht ganz der Fall ist. Was angemessen wäre ist immer eine Frage des Motivs.
Keynes Theorie blieb so lange im Gespräch bis schließlich die Computertechnologie 1980 auf den Markt kam. Die Aktienmärkte waren nicht mehr Analog zu händeln, die Computertechnologie beschleunigte die Finanz- und Handelsmärkte ins Unermessliche. Es folgten Veränderungen in der Wirtschaftswelt aber auch in Freizeit- und Privatleben. Computerspiele kamen auf den Markt, die Arbeit in den Büros veränderte sich, man könnte sagen – radikal. Später wollten zwei Wissenschaftler aus Bielefeld belegen das in den 1990er Jahren durch diesen Trend Fettleibigkeit Krankheitsbild Nr. 1 werden sollte (Vgl. Gate-Communications Sport, Move up your life).
Viele Menschen wissen das sich die Schere zwischen Arm und Reich in den 1980er um ein erhebliches Maß geöffnet hatte. Man darf nur an die Hungerkatastrophe von Äthiopien erinnern die der BBC Reporter Michael Buerk seinerzeit mit Worten hätte nicht treffsicherer gestalten können (siehe 1984 Ethiopian famine). Dem folgte das bis dahin nicht zu übertreffende Weltumspannende und damit vielleicht auch eines der größten Benefizkonzerte 1985 Live Aid, was viel Aufmerksamkeit auf sich zog. Dieser Erscheinung stand der erworbene kapitalistische Aufstieg mit Beginn der 1980er Jahre gegenüber und macht damit die Haltung der hiesigen Gesellschaft deutlich. Das Verhalten einer Gesellschaft gegenüber sozial Benachteiligten galt schon immer als Indikator für deren moralischer Haltung.
Selbst Edzard Reuter, einst Vorstandsvorsitzender der Daimler Benz AG äußerte sich in einer entsprechenden Sendung 2019 bei Markus Lanz. Es sei sozialer Sprengstoff, dass Manager exorbitante Gehälter beziehen würden, während das arbeitende Volk täglich um den Job zu bangen habe. Auf die Nachfrage wie es dazu kommen konnte, berichtet Reuter, dass die Gehälter an die Aktienmärkte gekoppelt waren und damit ein kurzweiliges Denken kultiviert blieb. Denn, wenn die Aktienmärkte steigen würden wäre es wichtig die Manager gut zu bezahlen. Dieses System kurzfristigen Denkens, dessen Teil Reuter selbst war, bezeichnet er heute im Nachgang als Grosskotzdummheit (Vgl. Youtube Video, 2019).
Keynes Theorie fand nun ihr Ende. Durch die sich verändernden und komplexer gewordenen Märkte kann ein System nach John Maynard Keynes durchaus sinnvoller sein, was der Grund dafür ist, weshalb sich Wirtschaftsexperten seit Jahren wieder mit dem Thema beschäftigen.
Das Ziel des Projekts Eurodem_Worksipg ist eine historische Analyse des Themas in seiner europäischen Dimension. Im Blickpunkt der Studie stehen die Veränderungen und Kontinuitäten der Akteure – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – und Arbeitskulturen aus vier Ländern, zwei Produktionssektoren und acht Unternehmen in öffentlicher und privater Hand.
Interdisziplinärer Ansatz
Das Projektteam verfolgt einen interdisziplinären Ansatz und ergänzt die Methodik der Geschichtswissenschaft um einen soziologischen Blickwinkel, politische Theorie und Rechtswissenschaft. Erfahrene und junge Forschende arbeiten zusammen. Synergien mit Partnern außerhalb der Wissenschaft ermöglichen den Aufbau und die Konsolidierung eines internationalen Forschungsnetzwerks.
„Die sektorübergreifenden Ergebnisse werden politischen EntscheiderInnen, Führungskräften aus Wirtschaft und Gewerkschaften sowie Mitgliedern von Arbeits-NGOs Empfehlungen für den Umgang mit Demokratie am Arbeitsplatz liefern“, so Stefan Berger. Er hofft, durch das Projekt dazu beizutragen, dass BürgerInnen sensibilisiert werden: für eine bessere Zukunft der Arbeit als derzeit geschwächtes soziales Bindeglied, als intermediärer sozialer Raum der demokratischen Stärkung, als Förderin von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit und als Bremse gegen autoritäre Impulse innerhalb und außerhalb des Unternehmens.
Kooperationspartner
Zum Projektkonsortium gehören die Universitäten Barcelona und Sevilla, die Fundacion Cultural Primero de Mayo, die Ruhr-Universität Bochum, die Universität Florenz und die Universita degli Studi die Bari Aldo Moro sowie die Universitäten Porto und Lissabon.
Quelle
Flaschel, Groh, Krolzig, Proano, Keynesianische Makroökonomie, Zins, Beschäftigung, Inflation und Wachstum, 3. Auflage, Springer Gabler, 2012
Lexikon Keynesianismus
http://de.gate-communications.com/lexikon/#Keynesianismus
1984 Ethiopian famine
http://de.gate-communications.com/musik-1980/#1984%20Ethiopian%20famine
1985 Live Aid
http://de.gate-communications.com/musik-1980/#1985%20Live%20Aid
Gate-Communications Sport, Move up your life
http://de.gate-communications.com/sport/
Edzard Reuter Ursula Hudson & Joey Kelly, Markus Lanz ZDF, Sendung 29. Januar 2019
https://youtu.be/0QdDsUzjTzM?si=dqYfJ15H-fDjcVs5
Corona-Ausbruch bei Tönnies, Was passiert nun mit den Schweinen? , 2020
https://www.t-online.de/nachrichten/corona-krise/id_88078330/corona-schliessung-bei-toennies-was-passiert-nun-mit-den-schweinen-.html#:~:text=Die%20Schlie%C3%9Fung%20des%20T%C3%B6nnies-Schlachthofs%20im%20Landkreis%20G%C3%BCtersloh%20stellt,und%20zerlegt.%20Nun%20m%C3%BCssen%20sie%20woanders%20geschlachtet%20werden.
Bildquelle
Vilius Kukanauskas Pixabay Ai generiert



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