Menschen aus verschiedenen Kulturen sprechen mit ihren Kindern in einer Form der Sprache, die als «kindgerechte Sprache» oder «Babysprache» bekannt ist. Obwohl es für uns ganz natürlich erscheint, direkt mit unseren Kindern zu kommunizieren, scheint diese Eigenschaft bei nicht-menschlichen Menschenaffen alles andere als üblich zu sein, wie neue Forschungsergebnisse von Teams der Universitäten Zürich und Neuenburg zeigen. Die Publikation erscheint auf dem Titelblatt der Zeitschrift Science Advances.
Zürich/Switzerland, 26. Juni 2025. – Ein fast universelles Phänomen beim Menschen ist die an Kinder gerichtete Sprache, bei der Betreuungspersonen mit Kindern kommunizieren und dabei häufig einen bestimmten Sprachstil verwenden, der auch als «Babysprache» bezeichnet wird. In zahlreichen Studien wurde ein Zusammenhang zwischen der Menge der an Kinder gerichtete Sprache, die Kinder hören, und besseren Lernergebnissen (etwa Wortschatzumfang oder Lese- und Schreibfähigkeiten) hergestellt. Diese Praxis scheint den Erwerb von Sprache zu erleichtern. Aber wie hat sich diese Eigenschaft entwickelt?
Um dieser Frage nachzugehen, haben Forschende der Universität Zürich (UZH) und der Universität Neuenburg (UNINE), Mitglieder des NFS Evolving Language, zusammen mit Kolleg:innen von Universitäten in Frankreich, Deutschland und den USA untersucht, ob diese Eigenschaft auch bei anderen Menschenaffen vorkommt.
Experten für Babysprache
In einer neuen Studie, die in der Zeitschrift Science Advances veröffentlicht wurde, untersuchten BiologInnen und LinguistInnen den Gebrauch der «auf Säuglinge gerichteten vokalen Kommunikation» bei fünf Arten von Menschenaffen: Menschen, Bonobos, Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans. Zu diesem Zweck nahmen sie akribisch die Vokalisationen, denen die Säuglinge von Menschenaffen in freier Wildbahn ausgesetzt waren.
Ihre Ergebnisse zeigen, dass der Mensch mit Abstand am häufigsten «Babysprache» verwendet. «Wir waren überrascht, wie wenig dieser Art der Kommunikation wir bei unseren nächsten lebenden Verwandten tatsächlich beobachten konnten», erklärt Franziska Wegdell, UZH-Postdoktorandin und eine der drei Erstautor:innen der Studie.
Aber wie können nicht-menschliche Menschenaffenkinder ihr Kommunikationssystem erlernen?
Lernen mit anderen Mitteln
Auch beim Menschen gibt es andere Wege, wie Säuglinge Sprache lernen können. «Wir wissen, dass menschliche Säuglinge in der Lage sind, neue Wörter zu lernen, indem sie die Umgebungssprache von Erwachsenen und anderen Kindern um sie herum belauschen», erklärt Johanna Schick, UZH-Postdoktorandin und Co-Erstautorin. Beim Vergleich der Umgebungskommunikation von Säuglingen zwischen den fünf Menschenaffenarten stellten die Forschenden fest, dass alle ausser den Orang-Utans einem ähnlichen Niveau ausgesetzt waren. Es könnte sein, dass Menschenaffen ebenso wie Menschen Aspekte ihres Kommunikationssystems auf sozialer Ebene erwerben, die jedoch aus der Umgebungskommunikation stammen und nicht aus der direkten Interaktion.
Ausserdem konzentrierten sich die Forschenden in ihrer Studie nur auf den Umfang der von Säuglingen geführten vokalen Kommunikation und nicht auf ähnliche Phänomene in anderen Modalitäten. «Da sprechen eine primäre Modalität der Sprache ist, haben wir uns entschieden, unsere Forschung mit der vokalen Domäne zu beginnen», sagt Caroline Fryns der UNINE, die dritte Co-Erstautorin. «Aber wir wissen, dass nicht-menschliche Menschenaffen Gesten an ihre Säuglinge richten und dass einige dieser Gesten sogar Merkmale aufweisen, die auch in der menschlichen an Säuglingen gerichteten Kommunikation zu finden sind».
Erforschung der Entwicklung des kindlichen Sprechens
Um die Evolution der Sprache zu enträtseln, wäre es ideal, die Sprachfähigkeiten der frühen Menschen zu untersuchen. Da Sprache jedoch nicht versteinert, haben wir keine Spuren dieser Fähigkeiten bei ausgestorbenen Hominiden. «Aus diesem Grund haben wir uns unseren nächsten lebenden Verwandten zugewandt – den nicht-menschlichen Menschenaffen – und ihre auf das Kind gerichtete vokale Kommunikation untersucht», erklärt Franziska Wegdell.
Die Ergebnisse der Studie scheinen darauf hinzudeuten, dass die Tendenz, sich mit Lauten an Säuglinge zu wenden, in der menschlichen Abstammung massiv gestiegen ist.
Auch bei anderen Tierarten wie Affen, Fledermäusen, Katzen oder Delfinen konnte nachgewiesen werden, dass sie ihre Jungen mit Lauten ansprechen, wenn auch nur in geringem Masse. «Um weitere Erkenntnisse über die Evolution der an Säuglinge und Kinder gerichteten Kommunikation zu gewinnen, könnten künftige Studien vergleichen, wie sich die Merkmale und die Funktion dieser Art von Kommunikation zwischen den Arten unterscheiden und warum», schlagen die Forschenden vor.
Referenz
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adt7718
Originalpublikation:
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adt7718
Weitere Informationen:
http://Weitere Informationen
http://NFS Evolving Language : https://evolvinglanguage.ch
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