Engel, Verführung, Moral

Kleinkinder haben kein Verständnis von Moral

Es dürfte offensichtlich sein, das die biblische Spanne zwischen der Darstellung im Paradies bis hin zum Zeitpunkt der Arche Noah die Entstehung nicht nur in der Vergangenheit eine Zeit der Entstehung menschlicher Moral darstellt. Auch, die Aufgabe der Vergangenheit und ihren Geschichten, im tieferen Unterbewussten des Menschen würde hierführ möglicherweise der Sinn für Recht und Unrecht im Menschen angelegt.
Eine internationale Studie unter Beteiligung der LMU zeigt: Das Verständnis von Moral ist nicht angeboren.

München, den 27. November 2024 – Die Frage, ob Moral angeboren ist, wird in der Entwicklungspsychologie seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Bislang gab es dazu widersprüchliche Befunde, wobei eine Reihe von Studien nahelegten, dass bereits Kleinkinder ein Verständnis für Situationen haben, in denen moralisches Handeln erforderlich ist, und sie Figuren bevorzugen, die gut sind. Diese wurden als Beleg dafür gesehen, dass Moral angeboren sei.

Nun haben sich Forschungsteams weltweit zusammengeschlossen, um im Rahmen einer Replikationsstudie bisherige Befunde zu überprüfen. Ihr Ergebnis, das in der Fachzeitschrift Developmental Science veröffentlicht ist, macht klar: „Es gibt keine Evidenz für angeborene Moral. Kinder unter zehn Monaten können noch nicht zwischen einer guten und einer schlechten Handlung unterscheiden“, sagt Professor Markus Paulus, Inhaber des Lehrstuhls für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).


Internationale Replikationsstudie, innovativer Ansatz

An der Studie nahmen mehr als 1000 Kleinkinder im Alter von 5,5 bis 10,5 Monaten teil. Ihnen wurden in einer experimentellen Situation Szenen mit Figuren vorgespielt, die sich unterschiedlich verhielten: Mal halfen sie einer anderen, einen Berg hochzukommen, mal hinderten sie diese daran und schubsten sie hinunter. Anschließend durften die Kinder zwischen den beiden Figuren wählen. Vorherige Befunde hatten nahegelegt, dass bereits Säuglinge lieber die helfende Figur haben wollten. In der nun bislang größten Studie zeigt sich jedoch, dass sich etwa die Hälfte der Kinder für die helfende Figur entschied, die andere Hälfte für die Schubser. „Die Kinder zeigten also keine Vorliebe für die Figur, die sich prosozial verhalten und einer anderen geholfen hat“, sagt Markus Paulus.

An der Studie nahmen 40 entwicklungspsychologische Forschungsteams aus der ganzen Welt teil, die auf die Verhaltensbeobachtung von Kindern in experimentellen Settings spezialisiert sind. An der LMU war neben dem Labor von Markus Paulus auch das Team von Dr. Tobias Schuwerk beteiligt. Die Idee des weltweiten Verbundprojekts zur Säuglingsforschung sei sehr innovativ und vielversprechend, um Befunde zu überprüfen, so Markus Paulus.

In Deutschland waren neben der LMU beteiligt: die Universität Bochum, die Universität Göttingen, die Universität Leipzig, die TUM School of Social Sciences and Technology, das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin sowie das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig.

Moralvorstellungen entstehen mitunter aus religiöser Geschichtenerzählungen als auch aus Abstraktionen davon. Der biblischen Darstellung nach beginnt ab dem Rauswurf aus dem Paradies eine Zeit im Unrechtsbewusstsein des Menschen, was seine Nahezu Ausrottung zur Folge haben sollte. Erst durch den Bau der Arche und damit der Rettung des einen Menschenpaares, das aus Sicht Gottes moralisch gut war, sollte ein ewiger Bund zwischen Gott und dem Menschen geschaffen werden. Hier wird mutmasslich die Frage zwischen dem freien Willen, als auch dem Wunsch Gottes Ausdruck gegeben, ein moralisch unbedenkliches Leben führen zu können. Demnach zu urteilen liegt es im Wunsch und Sinne Gottes, Menschen zu sich zu führen. Anders als Religion oft darstellt, es sei der Mensch der sich von Gott getrennt habe. Auf diese Weise kann das Potenzial des erforderlichen Retters erschaffen werden. Ein Paradoxon für menschliche Motivation.

Massgeblich für die Formen der Schuldgefühle sind wohl die vorausgegangenen Geschichten die sich als gutes oder schlechtes Gewissen darstellen und den moralischen Druck bewirken. Später, so stellt es die Bibel dar, wird dafür der Akt der Vergebung entstehen. Der früheste Grundsteinfür diesen späteren Akt könnte zum Zeitpunkt des Baues der Arche gewesen sein. Mehrere verschiedene Quellen behaupten, das der eigentliche Vergeltungsakt durch die Geburt von Jesus mehr als 700-mal alttestamentlich vorangekündigt wird.

Der mögliche erste Zeitpunkt, angeblich rettet die Schlange den Untergang der Arche (Arche steht für Neubeginn) dadurch, das sie mit ihrem Körper ein Loch im Rumpf ausfüllt. Zuvor gilt die Schlange als die eigentliche Verführung zur Sünde im Paradies. Sie verführt zuerst die Frau, diese dann den Mann. In der Folge empfängt jede der drei Parteien Strafen nach der Schwere und Angepasstheit ihrer Vergehen.

Die Bedeutung dieses Aktes ist üblicherweise vielfältig zu verstehen. Weil religöse Bücher aber als Prophetie gelten, ist hier offensichtlich das Verhalten von Menschen, dem Sündenfall und die Errettung gleichermassen vorherbestimmend zu verstehen.

Ein Gefühl für Moral könnte bei Kindern in der Zeitspanne zwischen dem 1. und 3. Lebensjahr entstehen. Das betrifft den Zeitpunkt zwischen den von Erikson erforschten psychosozialen Konflikten des Ur-Vertrauensvs. Ur-Misstrauen (Einverleibungsphasen) als auch Autonomie vs. Scham und Zweifel (Der ersten Trennungsphase).

Originalpublikation:

Kelsey Lucca u.a.: Infants’ Social Evaluation of Helpers and Hinderers, A Large Scale, Multi-Lab, Coordinated Replication Study. In: Developmental Science 2024.
(https://doi.org/10.1111/desc.13581)

Bildquelle: Gordon Johnson Pixabay


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