Wie das Gehirn einem inneren Rhythmus folgt


Ein Forschungs-Team des Universitätsklinikums Bonn (UKB), der Universität Bonn und des Universitätsklinikums Freiburg hat neue Erkenntnisse über die Gehirnprozesse gewonnen, die sich beim Speichern und Abrufen neuer Gedächtnisinhalte abspielen. Die Studie basiert auf der Messung einzelner Nervenzellen bei von Epilepsie betroffenen Personen und zeigt, wie diese einem inneren Rhythmus folgen. Die Arbeit ist jetzt in dem Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.

Bonn/Germany, 11. August 2025. – „Ähnlich wie die Mitglieder in einem Orchester, die sich an einem gemeinsamen Takt orientieren, ist die Aktivität der Nervenzellen offenbar mit elektrischen Schwingungen – ein- bis zehnmal pro Sekunde – im Gehirn verknüpft. Dabei feuern die Zellen bevorzugt zu bestimmten Zeitpunkten innerhalb dieser Hirnwellen, ein Phänomen namens Theta-Phasenbindung“, beschreibt Erstautor Dr. Tim Guth von der Arbeitsgruppe Kognitive und Translationale Neurowissenschaften der Universität Bonn.

Beim Merken und beim Erinnern neuer Informationen ist das Zusammenspiel von Nervenzellen und Hirnwellen aktiv, wie das Forschungsteam feststellen konnte. Die Aktivität findet im Schläfenlappen statt, dem zentralen Bereich des menschlichen Gedächtnisses.

Eine Studie zum räumlichen Gedächtnis machte deutlich, die Stärke der Theta-Phasenbindung der Nervenzellen während der Gedächtnisbildung war unabhängig davon ob sich die Testperson später korrekt an die Gedächtnisinhalte erinnern konnte oder nicht. „Dies legt nahe, dass die Theta-Phasenbindung zwar ein generelles Phänomen des menschlichen Gedächtnissystems ist, jedoch nicht allein über das erfolgreiche Erinnern entscheidet“, berichtet Prof. Dr. Lukas Kunz.


Interaktion von Nervenzellen und elektrischen Signalen

Der überwiegende Teil der Nervenzellen feuert immer um den gleichen Schwingungszeitpunkt. Während dessen wechseln manche Nervenzellen spannenderweise ihren bevorzugten Taktzeitpunkt zwischen Lernen und Erinnern. „Dies unterstützt die Theorie, dass unser Gehirn Lern- und Abrufprozesse innerhalb einer Hirnwelle voneinander trennen kann, ähnlich wie Mitglieder eines Orchesters, die zu verschiedenen Taktzeitpunkten eines Musikstücks einsetzen“, sagt Guth.

Wie Nervenzellen und elektrische Signale im Gehirn zusammenwirken, während sich neue Erinnerungen formen, kann aus der aktuellen Studie entnommen werden. Prof. Kunz kommt zum Schluss:
„Ein besseres Verständnis dieser Prozesse könnte langfristig dabei helfen, Gedächtnisstörungen besser zu verstehen und gezielter zu behandeln.“

Das Zusammenspiel zwischen Nervenzellen und Hirnwellen während eines Gedächtnissprozesses konnte unter den besonderen Bedingungen während einer Therapie von Epilepsie genutzt und festgestellt werden. Bei solchen Therapien werden Patienten zur Diagnostik Elektroden im Gehirn implantiert. Auf diese Weise will man dem Ursprung der epileptischen Anfälle genauer auf den Grund gehen. Unter Verwendung dieser implantierten Elektroden kann aber auch die menschliche Gehirnaktivität von einzelnen Zellen aufgezeichnet werden. Die Forschenden nutzten Messungen, die am Universitätsklinikum Freiburg durchgeführt wurden, und danken allen Betroffenen, die an dieser Studie teilgenommen haben.

Beteiligte Institutionen und Förderung:
Neben dem Universitätsklinikum Bonn (UKB), der Universität Bonn und dem Universitätsklinikum Freiburg war die Columbia University (New York, USA) beteiligt. Die Forschungsarbeiten wurden durch das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR), die US-amerikanische Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH), die US-amerikanische National Science Foundation (NSF), die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie durch das Rückkehrprogramm des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.

Originalpublikation:

Guth et al.: Theta-phase locking of single neurons during human spatial memory; Nature Communications; DOI: 10.1038/s41467-025-62553-9


Weitere Informationen:

https://www.nature.com/articles/s41467-025-62553-9 Publikation


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