Gehirn Atmung und Herzschlag

Atmung und Herzschlag beeinflussen die Wahrnehmung


Wie intensiv Körper und Gehirn zusammenhängen und wie der Körperrhythmus die visuelle Wahrnehmung beeinflusst, das ist Erkenntnisgegenstand einer Untersuchung an der Universität zu Freiburg. Die Ergebnisse dieser vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanzierten Studie sind kürzlich in der Zeitschrift PNAS (*) erschienen.

Bern, 19. September 2024. Atmung hat einen physiologischen Einfluss auf die Wahrnehmung visueller Eindrücke. Mittels Experiment konnte die Psychologin und Neurowissenschaftlerin Juliane Britz von der Universität Freiburg zeigen, das Rhythmus von Herzschlag und Atmung den visuellen Reiz der bewussten Wahrnehmung beeinflussen.

Das Experiment erfolgte mittels Versuchspersonen, deren Wahrnehmung über visuelle Reize mittels Bildschirm beansprucht wurden. Gehirnaktivität als auch deren Herzaktivität wurden gemessen, ebenso die Atmung mittels eines Gürtels erfasst, der das Volumen des Bauches zu messen in der Lage ist. Mittels Markierungen konnten neuronale Marker des Bewusstseins identifiziert werden.

Anschliessend verglich sie mit ihrem Team diese neuronalen Marker in unterschiedlichen Herzphasen. Die Analyse ergab: Erscheint das Bild, wenn sich das Herz entspannt, treten die Marker des Bewusstseins etwa 150 Millisekunden früher auf, als wenn das Bild in dem Moment erscheint, in dem sich das Herz zusammenzieht. Die Atmung hat einen ähnlichen Einfluss auf die visuelle Wahrnehmung: Wenn das Bild beim Aus- statt beim Einatmen erscheint, ist die gleiche Verzögerung feststellbar. «Die körperlichen Rhythmen beeinflussen die Gehirnaktivität über die Druckrezeptoren in den Arterien», erklärt Juliane Britz. Diese Rezeptoren sind inaktiv, wenn sich das Herz entspannt und man einatmet. Sie werden aber aktiviert, wenn sich das Herz zusammenzieht und man ausatmet. Sie verursachen dann gewissermassen einen neuronalen Stau, der die Verarbeitung von visuellen Stimuli im Gehirn verzögert.

Ein Bild wird zunächst von der Sehrinde aufgenommen. Bevor es den Ort erreicht an dem bewusstes Denken aktiviert wird, durchwandert dieses Bild andere Gehirnregionen. So war es den Forschenden bisher bekannt.

Aktuelle Ergebnisse zeigen allerdings ein erweitertes Bild. Demnach durchlaufen visuelle Informationen zwei Wege im Gehirn. Signale bei körperlicher Abwesenheit als auch Signale bei körperlicher Anwesenheit. Aus dieser Tatsache wurde für die Forschenden ersichtlich wo genau im Gehirn die Wahrnehmung erfolgt.

„Die Sache ist ganz einfach“, so Juliane Britz. „Es ist so, als gäbe es bei einem visuellen Stimulus zwei mögliche Aktivierungsmuster, je nachdem, ob Signale vom Körper kommen oder nicht.“ Herzschlag und Atmung bestimmen über Druckrezeptoren in den Arterien welchen Weg die visuelle Wahrnehmung im Gehirn nehmen wird.

Juliane Britz betont, es handelt sich um Grundlagenforschung. „Diese Ergebnisse geben eine Antwort auf die Kontroversen über die neurophysiologischen Marker des Bewusstseins und den Gehirnbereich, in dem dieses entsteht.“ Ihre wichtigste Erkenntnis: Wir sollten in den Neurowissenschaften weniger „gehirnzentriert“ sein. „Körperliche Signale sollten nicht länger als Rauschen betrachtet werden. Das Gehirn ist unentwirrbar mit dem Rest des Körpers verbunden.“

Originalpublikation:

(*) V. Leupin and J. Britz: Interoceptive signals shape the earliest markers and neural pathway to awareness at the visual threshold. PNAS (2024)
https://doi.org/10.1073/pnas.2311953121


Weitere Informationen
(https://www.snf.ch/de/LLwPkGfZkCklxcVc/news/atmung-und-herzschlag-beeinflussen-die-wahrnehmung)

Bildquelle OpenClipart-Vectors Pixabay


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