Digitale Informations- und Kommunikationstechnologien können eine bedeutende Rolle bei der Stärkung des sozialen Zusammenhalts in Nachbarschaften spielen. Dies ist das zentrale Ergebnis eines durch die Stiftung Mercator geförderten und nun abgeschlossenen Forschungsprojekts, das unter der Leitung von Prof. Dr. Jan Üblacker von der EBZ Business School und der ILS Research mit dem Wissenschaftler Simon Liebig bearbeitet wurde. Die Forschenden beschreiben, wie die Funktionsweise der Sozialen Medien und die geteilten Inhalte mit dem lokalen Sozialkapital interagieren und dadurch verschiedene Aspekte der sozialen Kohäsion verstärken können.
Dortmund/Germany, 13. Mai 2025. – Kommunikation ist ein Defizitbedürfnis, was bedeutet, es bedarf mit wachsendem Fortschritt und in einer zunehmend komplexeren Welt eine jeweilige Anpassung. Alltagssituationen die einen erhöhten Bedarf an Erklärung mit sich bringen führen dazu das man aus unterschiedlichen Interessen oder Motiven nur einen Teil dessen zum Ausdruck bringt was der Situation angemessen und erforderlich wäre.
Die Ergänzung mittels Messengerdiensten oder social media kann dazu beitragen den Mangel an erforderlichen Informationen auszugleichen.
Eine solche Anpassung beinhaltet sich auf einen Kontext unter den bekannten Mitglieder eine Gemeinschaft oder Gruppe beziehen zu können. Analoge und Digitale Ergänzung wirken hierbei Hybrid. Ein Bild oder Video kann angepasster wirken als Text oder gesprochene Nachricht. Es benötigt nicht mehr viel Worte um die Hintergründe zu verdeutlichen.
Je mehr aber eine solche kommunikative Spezialisierung erfolgt, je enger diese Gruppen im Inneren die gemeinsame Beziehung gestalten, desto konfliktträchtiger werden diese nach aussen hin, zu anderen Einzelpersonen, Gruppen und Gemeinschaften. An diesen Aussenschnittstellen herrscht daher oft Erklärungsnot und erfordert damit die Mühe sich informativer ausdrücken zu wollen um Konflikte und Missverständnisse zu meiden.
Gemeinschaftliche virtuelle Räume wie Messenger, oder social media wie Facebook, Instagram oder tumblr wären hier durchaus hilfreich, aus genau dieser Abhängigkeit wird aber immer auch gerne auch Missbrauch betrieben. Die Dienstleister versprechen einen verantwortungsbewussten Umgang mit Daten und Künstlicher Intelligenz. Bislang hat sich aber nach längeren Zeiträumen gezeigt und bestätigt das Daten für entsprechende Dienstleistungen offensichtlich leichtfertig aus der Hand gegeben wurden, was auch der gerade stark angeregten Diskussion um Demokratie entgegen wirkt. Expertenmeinungen, unter anderem auch der Verbraucherschutz, zur Folge sollte man solange Widerstand leisten bis sich verantwortliche darum bemühen den Sicherheitsbedürfnissen und dem Schutz der Gesellschaft entgegen zu kommen.
„Entscheidend ist jedoch, dass diese Katalysatorfunktion nicht universell wirkt, sondern stark vom bereits vorhandenen sozialen Kapital einer Nachbarschaft abhängt”, wie sich das Forscherteam entsprechend ausdrückt. In Nachbarschaften, in denen sich die BewohnerInnen bereits kennen und einander vertrauen, können WhatsApp-Chats oder Facebook-Gruppen den Austausch zusätzlich erleichtern und den Zusammenhalt weiter festigen.
Online-Nachbarschaftsgruppen: Digitale Öffentlichkeiten mit lokalem Bezug
Online-Nachbarschaftsgruppen bilden eine besondere Form digitaler Öffentlichkeit, die um einen lokalen Bezugspunkt – die Nachbarschaft – strukturiert ist. Diese geteilte räumliche Verbindung verändert, wie in den Gruppen kommuniziert und Gemeinschaft erlebt wird: Wer hier schreibt oder liest könnte den NachbarInnen auch auf der Straße begegnen. Diese doppelte Verankerung – im digitalen Raum und in der physischen Umgebung – schafft eine neue Qualität sozialer Nähe, argumentieren Liebig und Üblacker in ihrer qualitativen Studie.
Risiko der verstärkten Ungleichheit und neue Teilhabebarrieren
Die Forschenden weisen jedoch auch auf potenzielle Risiken hin. Digitale Informations- und Kommunikationstechnologien können sozialräumliche Ungleichheit in Städten verstärken, da Nachbarschaften mit geringem Sozialkapital von den Vorteilen der lokalen digitalen Vernetzung weniger profitieren. Zudem kann die notwendige Preisgabe persönlicher Daten in Online-Nachbarschaftsgruppen, geringe digitale Fähigkeiten und die Leistbarkeit von Geräten und Tarifen eine zusätzliche Barriere darstellen, die eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe verhindern.
Für eine wirksame Förderung des nachbarschaftlichen Zusammenhalts durch digitale Informations- und Kommunikationstechnologien und Soziale Medien empfehlen die Forschenden, den Zugang zu Online-Gruppen in der Hausgemeinschaft und Nachbarschaft möglichst niedrigschwellig zu gestalten, durch „offline“ Begegnungen zu ergänzen und Informationen stärker mit lokalen Besonderheiten des jeweiligen Ortes zu verknüpfen. Besondere Aufmerksamkeit sollte den Moderator:innen der Gruppen zukommen: Sie setzen Regeln, binden Neuzugezogene ein, gestalten den Rahmen für den Austausch und tragen wesentlich dazu bei, dass Diskussionen respektvoll und gemeinschaftlich verlaufen.
Originalpublikation:
Üblacker, Jan; Liebig, Simon; Hamad, Hawzheen (2024): Catalysts of connection. The role of digital information and communication technology in fostering neighbourhood social cohesion: A systematic review of empirical findings. In: Urban Studies 61, 16, 3167–3186. https://doi.org/10.1177/00420980241281502.
Üblacker, Jan; Liebig, Simon; Hamad, Hawzheen (2024): The Medium is the Messenger. A Quantitative Study on the Relation between Social Media Services and Neighbourhood Social Interactions. In: Built Environment 50, 1, 114–132. https://doi.org/10.2148/benv.50.1.114.
Liebig, Simon; Üblacker, Jan (2025): Zwischen Networked Publics und Orten der Begegnung. Ein qualitativ-explorativer Beitrag zur Konzeptualisierung von Online-Nachbarschaftsgruppen. In: Berichte. Geographie und Landeskunde 98, 2 (im Erscheinen).
Weitere Informationen:
http://Zu dem Projekt sind außerdem vier Videos erschienen: (https://www.ils-forschung.de/2025/04/pressemitteilung_soziale-medien-koennen-sozialen-zusammenhalt-in-nachbarschaften-foerdern/)
Bildquelle
Mircea Iancu Pixabay
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