Hung Quach Pixabay

80 Jahre nach Kriegsende: Forschung des DZPG untersucht Traumafolgen auch für Nachkommen


Der Zweite Weltkrieg hinterließ nicht nur Millionen Tote, sondern auch gravierende psychische Spuren bei den Überlebenden. Am härtesten traf dies jüdische Menschen, die der Shoa entkommen waren und die zahlreichen weiteren Opfer der Deutschen. Viele Menschen wurden durch Tod, Vertreibung und Gewalterfahrungen traumatisiert. Achtzig Jahre später belegen zwei aktuelle Forschungsprojekte des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG), wie die Folgen psychischer Traumatisierung bei nachfolgenden Generationen wirken können.

Berlin/Germany, 5. Mai 2025. Nach bisherigen Ergebnissen sind meist die dritte bis 5. Generation nach einem Krieg von Kriegstraumata betroffen. Das man aus solchen Kriegstraumata befreit werden kann bestimmt allerdings das Umfeld.
Wenn Menschen Erlebnisse haben, ist dies meist mit Gefühlen verbunden, Glück, Trauer oder ähnliches. In der Regel wiederholen sich Ereignisse im Leben erneut und können dieselben Gefühle hervorrufen wie zum Zeitpunkt einer Entstehung. In der Regel sind die Zeithorizonte zwischen der Kindheit bis ins hohe Erwachsenenalter. Diese Form der Wiederholung von identischen Gefühlen nennt man Übertragung.

Diese Übertragungen können über Generationen übertragen werden. Wenn meine Oma oder mein Opa entsprechende Gefühle erfahren haben, dann kann sich das auf mich und meine Generation übertragen. Ich erlebe dann die Gefühle die meine Oma oder Opa erlebt hatten. Selbiges ist bei den Eltern möglich und ebenso von mir auf meine nicht vorhandenen Kinder.

Für dieses Phänomen gibt es Begriffe wie Gefühlserbschaften oder Generationenbeziehungen. Der Fachbegriff lautet Transgenerationale Übertragung. Nun hat man versucht dem Problem durch verschiedene Wege zu begegnen. Man hat zunächst Generationen definiert. Aufgrund des globalen Verbrechens durch den Holocaust und der damit verbundenen Gräueltaten sind so viele Menschen verstorben, das man hier den Ansatz machte mit den Generationen neu zu beginnen. Die erste Generation die nach dem 2. Weltkrieg 1945 verstorben sind, gelten als Nachkriegsgenerationen. Von hier an, nach westlichen Masstäben folgt eine Generation in 30 jährigen Abschnitten.

Entdeckt hat man das Problem weil in den 1960er Jahren sehr viele Menschen Therapien aufsuchten. Dabei haben sich aufgrund der Geschichten gezeigt das es sich um Kriegstrauma handelte. Heute weis man, das erlebte Traumata über Generationen weiter geführt werden und das sich dies auf unterschiedlichste Weisen neu zeigt. Diese Traumata erlebt man als real existierende Umstände. Aber, sie sind insofern nicht Bestandteil des eigenen Lebens, sondern kommen durch die Übertragung aus den Generationen zustande, die erlebt wurden.

Ein Beispiel: In Zeiten des Nationalsozialismus hat man Gefangene als Aufseher gegenüber anderen Gefangenen eingesetzt. Damit wollte man unterbinden das Aufstände zustande kommen. Diese Aufsehe aber wurden selbst ebenfalls unterdrückt und geschändet.
Eine Wirkung des Traumata kann nur darin liegen, das Menschen, die heute genau das Alter erreicht haben, das ihre vorausgegangene Genration im zweiten Weltkrieg hatte auf die gleiche Art und weise erneut erleben. Wir dieser Mensch heute unterdrückt, dann können die Gefühle der Vorfahren dadurch in die heutige Zeit rücken. Man erlebt Unterdrückung dann heute um ein vielfaches schlimmer als diese in der realen zeit heute tatsächlich ist.
Das Traumata ist eine Reale Situation in einer realen Zeitaufnahme des Lebens und verbindet die Gefühle damit die damals von den Vorfahren erlebt wurden. Sofern diese Traumata nicht aufgelöst werden, oder werden können kommen diese auf Dauer wieder zurück. Je nach schwere und Intensität der Traumata gibt es dafür verschiedene Begriffe. Zeittunnel, vermitteltes Trauma oder Telescoping haben sich bislang durchgesetzt. Die Beschreibung hängt von der jeweiligen Intensität der Übertragung ab. Zeittunnel bsw. beschreibt die Untergrabung einer gewöhnlich linear verlaufenden Autobiografie, Zeitabkaufs eines Menschen. Die Angehörigen der Opfer sind nach 1945 geboren, aber sie knüpfen psychisch genau an der Stelle an, an dem die Zeitkurve ihrer in einer normalen Zeit vor der Verfolgung geborenen Eltern gewaltsam unterbrochen wurde (Moré 2013). Mit dem Begriff Telescoping wird durch (Faimberg) die innerpsychischen Verflechtungen und verschobenen Zeitkurven zwischen den Generationen veranschaulicht. Wie ein Teleskop würden diese aufgrund der sie aneinander bindenden, die Ablösung verhindernden Gefühlserbschaften ineinander geschoben. Zieht man das Teleskop auseinander, dann ergibt sich keine wirkliche Unterscheidung, sondern eher eine – dieser Metapher entsprechende – Verlängerung der Vergangenheit in die Zukunft, die beide ineinander verschiebt und eine Differenzierung der Generationen verhindert (Morè 2013). Genau dieser Fall drückt die betreffenden Nachkommen in ihrer gewöhnlichen Autobiografie. Menschen, und das betrifft tatsächlich einen erheblichen Anteil der Weltbevölkerung bleiben in ihrer Entwicklung gehemmt. Bei jeder Erscheinung der Traumata lebt, wenn man es reduziert ausdrücken möchte, die Person, die Vorfahren in mir aktiv weiter und hält das „Ich“, ein Begriff den Sigmund Freud als eine der drei Instanzen der Persönlichkeit geprägt hat, klein. Der Grund dafür weshalb viele Menschen auch bis ins hohe Alter in teilen kindlich bleiben, eine kindische Art an sich haben.

Sehr häufig geht mit diesem Problem Stress mit einher, weil im Geist des Menschen zwei oder mehr Generationen mit unterschiedlichen Bedürfnissen zusammen kommen. Zum einen, um auf das Beispiel zuvor zurück zu kommen, ein Mensch der Unterdrückt, erschreckt oder aus seiner Vorstellung wie etwas sein oder werden soll entrissen wird, der wird gestresst. Stress hat mehrere Ursachen. Stress entsteht also während Anpassungsvorgängen. Sigmund Freud konnte in Studien um die Jahrhundertwende des 19. Jhd. nachweisen das Stress bei Menschen dann entsteht wenn sie mehr wollen als sie können. Walter Bradfort Cannon (1871 – 1945) war einer der ersten der durch physiologische Studien versuchte die Mechanik des Verdauungstraktes zu untersuchen, die während des Ersten Weltkrieges blutungs- und verletzungsbedingte Schockzustände auftraten (S. 172, Spitzer, 2003). Er stellte Fest, Stress ist eine Reaktion die aus instinktiven Flucht und Kampfreaktionen hervorgerufen wird.
Bei Transgenerationaler Übertragung ist in der Regel die Autobiografie eines Menschen an bestimmten Stellen Diffus, d.h, diese hat keine durchgängige fortgesetzte Struktur. Es kommt zu regelmässigen Störungen. Diese beginnen mit der Kindheit und werden mit wachsendem Alter in der Regel grösser wenn man nichts dagegen unternehmen kann.
Wie erwähnt werden solche Traumata in der Regel weiter vererbt. Wie dies über das Erbgut vollzogen wird, dazu konnten jetzt weitere Ergebisse erzielt werden.

Wie kommen Spuren von Traumata ins Erbgut?

Prof. Dr. Dr. Elisabeth Binder, seit 2013 Direktorin und Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, untersucht wie sich extreme Belastungen wie Krieg oder Verfolgung biologisch „einschreiben“. Forschung zeigt: Die Stresshormonachse von Kindern traumatisierter Eltern – etwa von Holocaust-Überlebenden – ist nachweislich verändert. Binders Forschung fokussiert auf die epigenetischen Mechanismen, die solche Veränderungen erlauben. „Wir sehen Veränderungen in der epigenetischen Regulation von Genen, die für die Stressverarbeitung wichtig sind“, erklärt Binder. Ein Beispiel ist das Gen FKBP5: In Kooperation mit der renommierten Trauma-Forscherin Rachel Yehuda konnte Binder hier Unterschiede in der Gen-Methylierung Kindern von Holocaust-Überlebenden nachweisen. Diese biologischen Veränderungen beeinflussen die Stressresilienz möglicherweise über mehrere Generationen.

In einem DZPG-Projekt untersucht Binder mit Kollegen mittels Biomarkern und Modellsystemen, wie das Risiko für psychische Erkrankungen über Generationen weitergegeben werden kann. Vorgeburtliche Stressbelastung konnte Binder auch in Nabelschnurblut nachweisen – durch epigenetische Marker, die mit mütterlicher Depression und Angst in der Schwangerschaft und auch mit der späteren Inanspruchnahme medizinischer und psychologischer Hilfe durch die Kinder korrelieren. In sogenannten „Hirnorganoiden“, winzigen Gehirnmodellen aus Stammzellen, ließ sich zudem beobachten, dass vorgeburtliche Stresshormone die neuronale Entwicklung beeinflussen kann. Das Ziel der Forschung: Frühe Indikatoren zu identifizieren und präventiv eingreifen zu können.

Weitergabe durch gestörte Interaktionen

Auch auf der psychologischen Ebene zeigt sich, dass Traumata nachwirken können. Hanna Christiansen, Professorin für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Philipps-Universität Marburg, untersucht in einem Projekt am DZPG-Standort Bochum-Marburg, wie psychische Erkrankungen in Familien durch gestörte Interaktionen und belastende Lebensbedingungen weitergegeben werden. Ihre Forschung zeigt: Kinder psychisch erkrankter Eltern entwickeln mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit selbst psychische Auffälligkeiten. Oft sind es feine, alltägliche Mechanismen – mangelnde Responsivität, fehlende Struktur oder überfordernde emotionale Zustände –, die sich auf das kindliche Erleben und letztlich die psychische Gesundheit auswirken.

Forschung zeigt: Der Umgang mit Traumata ist auch heute eine wichtige Aufgabe

DZPG-Sprecher Prof. Peter Falkai ordnet die Forschung ein: „Beide Studien machen deutlich: Transgenerationale Traumaweitergabe ist kein abstraktes Phänomen, sondern eine vielschichtige Antwort des Individuums auf molekularer und psychischer Ebene.“ Sprecherin Prof. Silvia Schneider ergänzt: „Sie betrifft nicht nur Opfer des Nationalsozialismus, sondern zum Beispiel auch Menschen mit Unrechtserfahrungen in der DDR, Geflüchtete etwa aus Syrien, Afghanistan oder der Ukraine sowie nicht zuletzt Kinder in Deutschland, die mit psychisch kranken Eltern aufwachsen.“

Über das DZPG

Seit Mai 2023 arbeiten im Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) Expertinnen und Experten daran, durch gemeinsame Forschung die psychische Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern und psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren. An sechs Standorten in Deutschland wirken hierfür Forscherinnen und Kliniker gemeinsam mit Expertinnen aus Erfahrung, also Betroffenen und ihnen Nahestehenden, sowie internationalen Wissenschaftlern zusammen. Unter www.dzpg.org finden Interessierte Informationen zur Organisation, zu Forschungsprojekten und Zielen sowie informative Texte und hilfreiche Links rund um das Thema psychische Gesundheit.

Weitere Infos
Die unbewusste Weitergabe von Traumata und Schuldverstrickungen an nachfolgende Generationen
(https://www.journal-fuer-psychologie.de/index.php/jfp/article/view/268/310)

Bidquelle
Hung Quach Pixabay


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert