Spezialisierte Nervenzellen im Schläfenlappen reagieren hochselektiv auf Bilder und Namen einer einzelnen Person oder konkreter Objekte. Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und der Universität Bonn lieferten jetzt erstmals den direkten Beweis, dass die sogenannten Konzeptneurone tatsächlich die Bausteine unseres Gedächtnisses für Erlebnisse und Erfahrungen darstellen. Ihre Ergebnisse sind nun im renommierten Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht.
Bonn, 21. September 2024. Ein internationales Forschungsteam der Uniklinik Bonn, dem Institut für Epileptologie kann nun nachweisen das bestimmte Nervenzellen im Gehirn immer dann aktiv werden, wenn sie mit unterschiedlichen Bildern oder Namen einer ganz bestimmten Person oder der Identität eines Objektes konfrontiert werden. Dabei sind sie hochselektiv und reagieren auf keine anderen Personen oder Objekte. Diese so genannten Konzeptneurone wurden bislang nur beim Menschen gefunden, und hier nur im medialen Schläfenlappen, der für die Gedächtnisbildung unabdingbar ist.
2017 konnte das gleiche Forschungsteam in einer Studie deren wichtige Funktion für das Arbeitsgedächtnis, indem einzelne auf ein bestimmtes Motiv spezialisierte Konzeptneurone kurzzeitig Gedächtnisinhalte verfügbar halten, nachweisen. Die Konzeptneurone bleiben so lange aktiv, bis ein neues Bild gezeigt und eine andere Nervenzelle gereizt wird. Zudem konnte das Forschungsteam sogar anhand der Aktivierung der Konzeptneurone während der Arbeitsgedächtnisphase vorhersagen, ob sich die Probanden später richtig an das bereits gezeigte Bild erinnern werden.
Bisher war allerdings noch ungeklärt, wie eine Erfahrung erfolgreich in das episodischen Gedächtnis übertragen werden kann. Das episodische Gedächtnis speichert autobiografische Ereignisse, wie bsw. Geburtstage oder Erlebnisse mit Ort und Zeit. „Daher gingen wir der Hypothese nach, dass diese Konzeptneurone die Bausteine liefern, die zu einer Erinnerung eines Erlebnisses zusammengefügt werden“, sagt Erstautorin Sina Mackay, Doktorandin der Universität Bonn in der Arbeitsgruppe von Prof. Mormann am UKB.
Neuronale Aktivität stellt „Was“ und „Wo“ in der Gedächtnisbildung bereit
Für seine wissenschaftliche Arbeit nutzt das Bonner Forschungsteam eine Besonderheit der Klinik für Epileptologie am UKB – einem der größten Epilepsiezentren Europas. Mittels Elektroden, die ins Gehirn implantiert werden können Aktivitäten einzelner Neuronen gemessen werden.
Während das Forschungsteam um Prof. Mormann bereits einen Vorhersageeffekt gefunden hatte, konnten die Bonner Forschenden jetzt zeigen, dass die Aktivität von Konzeptneuronen im medialen Schläfenlappen sowie Ortsneurone im parahippokampalen Kortex das korrekte Einspeichern von Konzept-Orts-Paaren voraussagt. „Sowohl in den objekt- und ortsselektiven Neuronen-Populationen, waren die Feueraten signifikant höher, wenn diese später korrekt erinnert wurden“, sagt Mackay. Die übrigen Neurone, die mehr als 90 Prozent in diesen Regionen ausmachen, hingegen erlaubten keine Vorhersagen über eine erfolgreiche Gedächtnisbildung, was die hochspezifische Rolle von Konzept- und Ortsneuronen unterstreicht. „Wir gehen davon aus, dass die mediotemporalen Konzeptneurone und möglicherweise auch die parahippocampalen Ortszellen, die in unsere täglichen Erfahrungen involviert sind, bei der Festigung des Gedächtnisses reaktiviert werden – beispielsweise im Tiefschlaf“, sagt Prof. Mormann, der künftige Studien zur Untersuchung dieser Hypothese für erforderlich hält.
Förderung: Dieses Forschungsprojekt wurde durch die Volkswagenstiftung und durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1089 gefördert.
Originalpublikation:
Sina Mackay, Thomas P. Reber, Marcel Bausch, Jan Boström, Christian E. Elger, Florian Mormann: Concept and location neurons in the human brain provide the ‘what’ and ‘where’ in memory formation; Nature Communications; DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-52295-5
Bildquelle: svklimkin Pixabay
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