Zwei Organismen unterschiedlicher Arten vermehren sich. Weil es zwei verschiedene Arten sind, entstehen auf diese Weise Mutationen. Forschende des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie entdeckten jetzt, wie Kooperation zwischen verschiedenen Mikroorganismen entstehen können und wie sich ein gegenseitiger Nutzen herausbildet. Die Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen ist, zeigt erstmalig und detailiert, wie in Lebensgemeinschaften verschiedener Organismengruppen ein evolutionärer Verlust von Unabhängigkeiten entstehen kann.
Marburg, 04. September 2024. Wenn sich Organismen unterschiedlicher Arten vermehren, nennt sich dies Mutualismus. Mikroorganismen bilden oft Gemeinschaften, in denen Stoffwechselprodukte ausgetauscht werden. Die Frage wie sich Kooperation gegen egoistisches Verhalten durchsetzen kann ist keineswegs weltfremd und ein ständig das Leben begleitendes Phänomen. Bislang zeigen Forschungsergebnisse nur evolutionäre Momentaufnahmen von natürlichen Symbiosen. Mechanismen die zum allmählichen Verlust der Unabhängigkeit in Gemeinschaften führen bleiben damit bislang unentdeckt.
Forschende des Max-Planck-Instituts gingen daher der Frage nach, wie die Mechanismen des evolutionären mikrobiellen Mutualismus funktionieren. Für diese Zwecke wurde ein Modellversuch im Labor entwickelt. Es wurde eine synthetische Gemeinschaft zwischen prokaryotischen und eukaryotischen Partnern entwickelt und deren Wachstum beobachtet. Bakterien die in jedem Organismus vorkommen.
Das Team beobachtete während dieser experimentellen Evolution nicht nur eine Verstärkung der konstruierten Eigenschaften, sondern auch die Entstehung einer neuen Ebene gegenseitiger Abhängigkeit zwischen den Mitgliedern der Gemeinschaft. „Wir fanden heraus, dass der Hefepartner in Bezug auf den Stickstoffstoffwechsel stark von seinem bakteriellen Partner abhängig wurde – ein Phänomen, das in natürlichen Symbiosen häufig vorkommt“, erklärt Dr. Giovanni Scarinci, der Erstautor der Studie.
Die umfassende Multi-Omics-Analyse der Änderungen in Genomen, der Stoffwechselprodukte und Proteine sowie der Physiologie der entstandenen Gemeinschaft zeigte, dass die Selektion auf gegenseitigen Nutzen wiederholt indirekt erfolgte: Merkmale, die die Zusammenarbeit fördern, waren offenbar mit anderen vorteilhaften Merkmalen gekoppelt. Als Ursache fanden die Forschenden sowohl Pleiotropien (ein Gen beeinflusst mehrere Merkmale) als auch Trade-offs (ein Merkmal kann nicht abnehmen, ohne dass ein anderes zunimmt).
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Pleiotropie auch die Evolution neuer mutualistischer Interaktionen vorantreiben kann“, sagt Victor Sourjik. „Im Gegensatz dazu konnten wir keine Beweise für Gruppenselektion finden, obwohl dieser Mechanismus allgemein als Motor für die Evolution von Mutualismus postuliert wird.“
Giovanni Scarinci fügt hinzu: „Unsere synthetische Lebensgemeinschaft aus Bakterien und Hefen ist ein ideales Modell, da Stoffwechsel und Genregulation beider Organismen bereits gut verstanden sind. Außerdem sind an vielen natürlichen symbiotischen Interaktionen sowohl eukaryotische als auch bakterielle Partner beteiligt, was dieses Modell besonders relevant macht.“
Originalpublikation:
Scarinci, G.; Ariens, J.-L.; Angelidou, G.; Schmidt, S.; Glatter, T.; Paczia, N.; Sourjik, V.
Enhanced metabolic entanglement emerges during the evolution of an interkingdom microbial community
Nature Communications August 22 (2024)
Bildquelle:
MPI f. terrestrische Mikrobiologie/ Giovanni Scarinci
Künstliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Bakterium Escherichia coli (rot) und der Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae, blau).
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