Eine neue Studie von NeurowissenschaftlerInnen am Deutschen Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen zeigt: Unser Gehirn geht mit verschiedenen Formen von visueller Unsicherheit bei Bewegungen auf unterschiedliche Weise um. Je nachdem, um welche Art von Unsicherheit es sich handelt, wirkt sich das auf die Planung und Ausführung von Bewegungen im Gehirn ganz verschieden aus. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, Gehirn-Computer-Schnittstellen zu optimieren, die zum Beispiel Menschen mit Lähmungen helfen, Prothesen oder Computer allein mit ihren Gedanken zu steuern (Nature Communications).
Göttingen/Germany, 14. April 2025. Wissenschaftler der Forschungsgruppe Sensomotorik am Deutschen Primatenzentrum Göttingen untersuchten die Entscheidungsfähigkeit des Gehirns bei unpräzisen Bewegungen wie diese häufig unter Einfluss von Dunkelheit oder anderen Hinderungsgründen vorkommen.
Dabei geht es um zwei Informationen. Zum einen wo sich eine Extremität, im Beispiel die hand befindet, und die andere Frage durch das Gehirn wäre, wohin sich die Hand bewegt. In einem Experiment mit Affen wurden zwei Arten dieser visuellen Unsicherheiten untersucht, die Zielunsicherheit und die Feedback-Unsicherheit.
Bei der Zielunsicherheit wurde das Ziel der Bewegung durch mehrere verstreute Objekte dargestellt, sodass unklar blieb, wo genau sich das Ziel befand. Bei der Feedback-Unsicherheit wurde der Cursor durch mehrere verstreute, kleine Objekte ersetzt, sodass unklar blieb, wo sich die eigene Hand genau befand. Zusätzlich testeten die Forschenden die Auswirkungen der Feedback-Unsicherheit während die Affen den Cursor durch eine Gehirn-Computer-Schnittstelle steuerten, quasi durch bloße Gedanken. In diesem Fall steht nur visuelle Information als Feedback über die eigene Bewegung zur Verfügung, während bei echten Armbewegungen der Körper auch über andere Sinnessysteme die Position der Hand kennt.
In den Ergebnissen wird deutlich, das Gehirn reagiert unterschiedlich auf Unsicherheiten.
Die Zielunsicherheit beeinträchtigt vor allem die Planung und den Beginn der Bewegung. War das Ziel unklar, waren gleichsam auch die Bewegungen weniger präzise und ungenauer geplant.
Die Beeinträchtigung der Bewegungen durch Feedback-Unsicherheit zeigte sich dagegen nur dann deutlich, wenn die Affen vollständig auf das visuelle Feedback angewiesen waren – wie bei der Steuerung mittels Gehirn-Computer-Schnittstelle. In diesem Fall beeinflusst die Feedback-Unsicherheit vor allem die präzise Ausführung der Bewegung.
Die Forschenden stellten zudem fest, dass die neuronale Aktivität im motorischen Kortex sowohl Ziel- als auch Feedback-Unsicherheit widerspiegelt, diese beiden Formen der Unsicherheit jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten verarbeitet werden. Dies deutet darauf hin, dass das Gehirn die Information über das Ziel und die eigene Position in unterschiedlichen Phasen der Bewegungssteuerung integriert.
Relevanz für Gehirn-Computer-Schnittstellen
Die Erkenntnisse könnten dazu beitragen, Gehirn-Computer-Schnittstellen (engl.: brain computer interface, kurz BCIs) zu verbessern. Diese Technologie ermöglicht es beispielsweise gelähmten Menschen, Prothesen oder Computer allein mit ihren Gedanken zu steuern. Da sich NutzerInnen von BCIs meist stark auf visuelles Feedback verlassen, da ihnen oft nur dieses zur Verfügung steht, sind sie besonders anfällig für Unsicherheiten in der Wahrnehmung der eigenen Bewegung. Eine vielversprechende Lösung könnte die Integration zusätzlicher sensorischer Signale sein. So könnten etwa Vibrationsmotoren, also ein taktiles Feedback den Nutzer*innen zusätzliche Informationen über die Bewegung ihrer Hand liefern und Unsicherheiten ausgleichen. Eine entsprechende Fortsetzung der Versuche und Weiterentwicklung des Forschungsansatzes führt die Forschungsgruppe unter Alexander Gail im Rahmen des neuen Sonderforschungsbereichs SFB 1690 bereits durch.
Lukas Amann, Neurowissenschaftler in der Forschungsgruppe Sensomotorik und gemeinsam mit Virginia Casasnovas Hauptautor der Studie, erklärt: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Gehirn Unsicherheiten ausgleichen kann, wenn alternative Informationsquellen zur Verfügung stehen. Dies ist ein entscheidender Faktor für die Verbesserung von BCIs, da NutzerInnen aktuell meist oft auf visuelles Feedback beschränkt sind. Zusätzliche sensorische Reize könnten dabei helfen, die Steuerung von Neuroprothesen präziser und intuitiver zu gestalten.“
Die Studie liefert somit wichtige Erkenntnisse darüber, wie das Gehirn mit sensorischer Unsicherheit umgeht – eine Grundlage für die Weiterentwicklung von Technologien, die Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen helfen können.
Originalpublikation:
Amann, L.K., Casasnovas, V. & Gail, A. Visual target and task-critical feedback uncertainty impair different stages of reach planning in motor cortex. Nat Commun 16, 3372 (2025). (https://doi.org/10.1038/s41467-025-58738-x)
Bildquelle
Deutsches Primatenzentrum GmbH, Greifen bei Unsicherheit, KI generiert durch Gemini
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